28.01.2020
Hochkarätige Vorträge zogen die 150 Teilnehmer/-innen am Forum Maschinenbau bei der STIWA Group in Attnang-Puchheim Ende Jänner in den Bann. Der Fokus lag auf der rasanten Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) und Robotertechnologie sowie deren Auswirkungen auf die Automatisierung. Fazit: Digitalisierung und Automatisierung sind weltweit bereits weit fortgeschritten. Wir müssen jetzt mitmachen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Zum Forum Maschinenbau hatten der Mechatronik-Cluster, die Wirtschaftskammer Oberösterreich, Sparte Industrie und die Landesinnung der Mechatroniker geladen.
Kurt Matzler von der Universität Innsbruck rüttelte als Keynote Speaker bereits zu Beginn der Veranstaltung auf. „Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden“, sagte er in seinem Vortrag. Als anschauliches Beispiel nannte er den Fußball von adidas, der mit Sensoren ausgestattet Messdaten liefert, wann, wie oft und wie schnell der Ball in Bewegung ist. Matzler betonte, dass Produkt- und Entwicklungszyklen immer kürzer werden und Produzenten immer rascher auf Kundenwünsche und -anforderungen reagieren müssen. Neue digitale Geschäftsmodelle entstehen in einer so großen Vielzahl, dass wir uns seiner Meinung nach „zu einer Plattformökonomie entwickeln, in der wir keine Rolle spielen.“ Beste Beispiele dafür seien Amazon oder die Alibaba Group. Matzlers Appell: Mehr experimentieren, weniger planen, um den Anschluss an die Digitalisierung nicht zu verlieren. Und dabei eine Fehlertoleranz einplanen.
Mit dem Vortrag „Future of Automatisation - das Potenzial für die Industrie“ sorgte Josef Brandmayr von der STIWA für Aufsehen. Unter anderem berichtete er von der CES, der weltweit größten und wichtigsten Elektronikmesse in Las Vegas, und betonte, dass dort nicht mehr darüber diskutiert werde, ob autonomes Fahren komme oder nicht: „Da geht es nur noch um Flugtaxis etc. Bei uns in Europa wird sehr viel diskutiert, dort nicht. Wir müssen veränderungen mitmachen. Der Schalter ist längst umgelegt.“ Brandmayrs Appell: „Wir müssen die Zukunft aktiv gestalten, nicht Opfer sein bei dem, was andere machen. Die Welt ändert sich schneller – man muss mithalten.“ Auch der STIWA-Experte betonte, dass Produktzyklen immer kürzer werden. Dafür brauche es passende Konzepte.
STIWA hat daher mit der Innovationsschmiede Inventus aus Vorarlberg das Joint-Venture Xeeltech gegründet und ihre Produktinnovation „Hapticore“ auf der CES in Las Vegas vorgestellt. Das innovative haptische Bedienelement „Hapticore“ ermöglicht erstmals Force-Feedback in Echtzeit und adaptiv per Software gesteuert. Xeeltech soll globaler Partner für haptische Feedbacksysteme bei HMI-Anwendungen im Non-Automotive-Bereich und für alle Anwendungen im Umfeld linearer Dämpfung mittels MRF werden. Mit Hapticore ist es gelungen, den technologischen Fortschritt zu nutzen, eine echte Produktinnovation serienreif zu entwickeln und damit neue Märkte zu erschließen.
Die virtuelle Inbetriebnahme und Bedienereinschulung demonstrierte Uwe Küppers, Senior Business Development Manager bei Rockwell Automation. Thomas Linde von der KEBA AG zeigte, welche ungeahnten Möglichkeiten im „Machine Learning“ stecken. Hier ging es ums Lernen der Künstlichen Intelligenz, ums Übertragen menschlicher Fähigkeiten auf Maschinen und schließlich von Maschine zu Maschine sowie um die Mensch-Maschine-Interaktion. Über die Chancen und Herausforderungen von Pay-Per-Use sprach Günter Hehenfelder von der Digital Blocks GmbH. Digitalisierung in der Praxis demonstrierte Karl Tröger am Beispiel der e.GO Mobile AG und dem von PSI Automotive & Industry Austria entwickelten Elektroauto. Roland Laucher von INNIO Jenbacher schließlich zeigte den Teilnehmer/-innen, wie man zur Digital Factory gelangt.
Was es außer neuen Technologien braucht, um mit der raschen digitalen Transformation Schritt halten zu können, war Thema in weiteren Vorträgen. Rasches Reagieren auf Veränderungen am Markt erfordert beispielsweise Methoden der agilen Produktentwicklung. Darum ging es im Vortrag von Martin Baldinger, Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei Wintersteiger. Der Rieder Leitbetrieb wendet die Methoden der agilen Produktentwicklung seit zwei Jahren an und hat damit nachweislich Kosten und Zeit gespart. Die Qualität neuer Produkte hat sich verbessert. Und Wintersteiger entwickelt Innovationen schneller und ist damit früher am Markt als bisher. „Früher hatten wir einen Fleckerlteppich von dem, was wir einhalten konnten und was nicht“, erzählte Baldinger, „heute halten wir zu 80 Prozent alles ein. Die Farbe Grün dominiert, die roten Flecken sind fast verschwunden.“
Ohne ausreichend qualifizierte und motivierte Mitarbeiter kommen Unternehmen auf dem Weg in die Digitalisierung auch nicht weit. Im Zeitalter der Digitalisierung haben sie neue Herausforderungen zu meistern, nämlich die passenden Fachkräfte zu finden und im Unternehmen zu halten. Matthias Gamisch präsentierte zu diesem Thema „FILL your life – das FILL Lebensarbeitskonzept“. Er erläuterte anschaulich, was die neue Generation an Fachkräften vom Arbeitgeber erwartet, damit sie ihm gegenüber auch loyal ist. Fill setzt auf eine Reihe von Sozialleistungen und Benefits wie flexible Arbeitszeit oder Homeoffice. Bei Umfragen erreicht das Unternehmen mittlerweile 84 Prozent Zufriedenheit unter den Mitarbeitern/-innen und weniger als vier Prozent Fluktuation. Auch die Zahl der Krankenstandstage ist zurückgegangen. „Es gilt nicht, Beruf und Privatleben strikt zu trennen, sondern das Privatleben möglich zu machen“, zitierte Gamisch eine der Leitideen bei der Fill Gesellschaft m.b.H., um zu einem attraktiven Arbeitgeber zu werden.
Florian Eicher, Projektmanager im Mechatronik-Cluster, stellte zwei Tools und einen Lehrgang vor, die KMU auf dem Weg in die Digitalisierung unterstützen. Der Digital Check – das Reifegradmodell für die Industrie 4.0 – zeigt einem Unternehmen, wie weit es in der digitalen Transformation schon gekommen ist und wo es noch kleine oder größere Verbesserungen umsetzen kann. 35 Unternehmen haben das Tool bereits genutzt, 30 lizenzierte Experten/-innen arbeiten an der stetigen Weiterentwicklung und den Inhouse-Schulungen mit. Sie haben bereits 174 Applikationsfelder und 298 Träger analysiert. Eicher informierte weiters über den kostenlosen Digitalisierungslehrgang InnoPeer AVM zu den Inhalten Technologie, Geschäftsmodelle, HR und Organisation.
Die Initiative Industrial Data, eine Toolbox des IT-Clusters, hat das Ziel, aus gesammelten Daten ein Geschäftsmodell zu entwickeln und neue Datenmärkte zu erschließen. Auf dem Infostand der Europaregion Donau Moldau konnten sich die Teilnehmer/-innen über das Projekt ECOS4IN informieren. Sieben Partner aus Mitteleuropa arbeiten in dem EU-geförderte Interreg-Projekt an einem grenzüberschreitenden Ökosystem für Industrie 4.0. Abgerundet wurde das Rahmenprogramm mit einer Betriebsbesichtigung des Standortes Attnang-Puchheim der STIWA Group, bei der Geschäftsführer Peter Sticht spannende Einblicke in den Technologiekonzern ermöglichte.