Veränderungsresistenz funktioniert heutzutage nicht mehr

Gastbeitrag von Eric-Jan Kaak, SPAR-ICS

© iStock/fotografixx
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Eric-Jan Kaak © PRIVAT
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15.09.2020

Eric-Jan Kaak beschäftigt sich seit 25 Jahren mit den Auswirkungen neuer Technologien auf Organisationen sowie der Art und Weise, wie Menschen miteinander arbeiten.

Die erste Hälfte des Jahres 2020 war eine enorme Herausforderung für alle Unternehmungen. Plötzlich haben die jahrzehntelangen Paradigmen unserer Industriegesellschaft nicht mehr funktioniert. Der Kern der industriellen Produktion war ihre Planbarkeit. Das haben wir alle so an den Betriebswirtschaftsschulen dieser Welt gelernt. Vertriebsplan, Investitionsplan, Personalplan, Kostenstellenplan, Beschaffungsplan, Finanzplan usw. waren und sind meist immer noch die Basis unseres Tuns. Folge dem Plan und alles wird gut.
 

Verlust der Planbarkeit

Abweichungen vom Plan werden bekämpft, Abweichler bestraft. Konformisten bekommen den Bonus. Diese Planbarkeit ist in Gastbeitrag von Eric-Jan Kaak, SPAR-ICS der globalen, komplexen, immer stärker vernetzten Welt verlorengegangen. Und gerade wurde ein weiteres Dogma zerstört: Effizienz ist vollkommen überschätzt worden. Die ganze Wirtschaft war auf engste Lieferketten getrimmt: Alles just in time, so kurzfristig wie möglich. Dabei wäre es sinnvoll gewesen, viel mehr in Lagerkapazitäten zu investieren. Und ja, nachher sind alle immer schlauer. Am Montag sind wir alle Lottogewinner.
 

Revolutionäre Geschäftsmodelle

Die Herausforderungen der Zukunft sind nicht so sehr technologischer Natur, die Herausforderungen bewegen sich auf die Ebene der Geschäftsmodelle. Netflix wurde nicht so groß, weil es die bessere Technologie hatte. Netflix startete 1997 als OnlineVersandhaus von DVDs und verwendete bestehende Technologien (Website, DVD, Kuvert, Postversand) gebündelt in einem neuen Servicemodell. Der Rest ist Geschichte. Dieses Geschäftsmodell war das revolutionär Neue. Die Videoverleihkonkurrenz hatte darauf keine Antwort und verschwand vom Markt, weil sie nicht in der Lage war, das eigene Geschäftsmodell zu verändern.
 

Ständiges Anpassen

Die digitale Transformation hat zur Folge, dass Geschäftsmodelle sich immer schneller entwickeln, neu etablieren oder vom Markt verschwinden. Um heutzutage erfolgreich zu sein, ist es unerlässlich, das eigene Geschäftsmodell, sowie die darunterliegende Organisation regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls an geänderte Marktbedingungen anzupassen.


Komplexe Herausforderungen

Die Heilige Dreifaltigkeit der Veränderungsresistenz („Das haben wir immer schon so gemacht“, „Das haben wir noch nie so gemacht“, „Da kann ja jeder daherkommen“) funktioniert nicht mehr. Durch die Konvergenz der Branchen, die Entstehung von Ökosystemen und die Existenz neuer Marktrollen sowie neue technische Möglichkeiten wird die Aufgabe, erfolgreiche Geschäftsmodelle zu etablieren, immer komplexer.
 

Systematisches Vorgehen

Das heißt auch: Diese neuen Herausforderungen sind mit den etablierten industriellen Methoden der Vergangenheit nicht mehr zu bewältigen: Firmen funktionieren nicht (mehr) wie Maschinen, die traditionelle Planung verliert ihren Stellenwert. Es reicht heute einfach nicht mehr aus, ein paar Knöpfe und Regler nur weiterzudrehen. Planung ist zwar noch immer wichtig, aber Agilität ist notwendig, um auf Änderungen des Umfeldes angemessen zu reagieren. Es werden jene Firmen überleben, die schneller auf die Herausforderungen der dynamischen Märkte reagieren und sich anpassen können.
 

Vorbild Softwarebranche

Die Softwareindustrie lebt es uns tagtäglich vor, wie Produktentwicklung inkl. Lieferung zum Kunden funktioniert. Aber nicht jedes Produkt ist ein reines Softwareprodukt. Maschinen, Autos, Lebensmittel, Elektronikgeräte sind Produkte, bei denen sich der Lebenszyklus radikal verändert. Welche Systemmuster aus der Softwareindustrie können in anderen Branchen verwendet werden? Hier gilt es, systematisch einen klaren Weg zu gehen und mit einer Mischung aus qualitativen und quantitativen Methoden das Risiko zu minimieren, dass aus der Innovation kein Kapital geschlagen werden kann und gleichzeitig das Risiko minimiert wird, dass das bestehende Geschäftsmodell obsolet wird.
 

Versagen bekannter Methoden

Angetrieben durch die Technologien des 21. Jahrhunderts entsteht ein hochdynamisches Umfeld. Die darin befindlichen Systeme können mit den Lösungen der „Best Practices“ nicht mehr beherrscht werden. In diesem Fall sind Tools, Standardisierung, Regeln, Strukturen oder Prozesse keine hinreichende Antwort, wenn es um Probleme und Problemlösung geht. Gerade die Methoden, die im Industriezeitalter nützlich waren, versagen: In einem komplexen Umfeld geht es nicht um die Frage, wie ein Problem gelöst wird, sondern wer das tun kann. Deswegen werden erfahrene Menschen bedeutsam. Menschen mit Können und Ideen. Geschäftsmodellinnovation bietet dafür den richtigen Rahmen.


Über Eric-Jan Kaak

Eric-Jan Kaak hat als CIO sowie als Controlling-Leiter in nationalen und internationalen Unternehmen (Produktion, Maschinenbau, Handel) komplexe IT- und Organisationsprojekte umgesetzt. Für seine Arbeit wurde er 2013 als „CIO des Jahres“ mit dem österreichischen CIO-Award ausgezeichnet. Gegenwärtig arbeitet er als ProjektPortfolio Lead und Innovation Engine Driver bei SPAR-ICS, der IT-Tochter des SPAR Konzerns.

Der Technologiegigant IBM hat Kaak 2014 in den auserwählten Kreis der wenigen IBM „Wild Ducks“ mit der Begründung aufgenommen: „The wild ducks are the creative ones. They‘re the restless explorers who are always looking for a new angle on a big problem.“

 



5 Schritte zur Geschäftsmodellinnovation

Schritt 1: Problem-Markt-Fit

  • Wie finden wir heraus, ob es ein bestimmtes Problem überhaupt am Markt gibt?
  • In diesem Schritt wird der Rahmen festgelegt, in dem wir uns bewegen. Was ist die Idee? Haben wir das Problem richtig verstanden? Ist das Problem nachvollziehbar aus Sicht des Kunden? Wie messen wir das? Wie entscheiden wir über den weiteren Weg?

Schritt 2: Problem-Lösung-Fit

  • Wie finden wir heraus, welche Lösungen es für das Kundenproblem geben könnte?
  • Was könnten mögliche Problemlösungswege sein? Wie messen wir das? Was sind mögliche Alternativen?

Schritt 3: Produkt-Markt-Fit

  • Wie finden wir heraus, ob der potenzielle Kunde bereit ist, für unsere Lösung auch etwas zu zahlen?

Schritt 4: Geschäftsmodell & Skalierung

  • Wie sieht das Business Modell aus? Wie verdienen wir unser Geld? Wie finden wir heraus, ob sich das Geschäftsmodell erweitern lässt?

Schritt 5: Organisation

  • Wie müssen wir uns organisieren, damit das entwickelte Produkt auch schnellstens zum Kunden geliefert werden kann (von der Produktentwicklung zum Kunden)? Wie organisieren wir Service und Feedback?