25.03.2021
Wie können assistierende Roboter und Künstliche Intelligenz in allen Bereichen des Lebens sinnvoll zur Unterstützung des Menschen beitragen? Damit beschäftigte sich die Session „AI for Human Support“ beim OÖ Zukunftsforum 2021 am 23. März. Einhelliger Tenor der Referent*innen: KI muss sich dem Menschen anpassen – nicht umgekehrt. Die Veranstaltung fand coronabedingt online statt. Eingeladen hatten der Mechatronik- sowie der Medizintechnik-Cluster der oö. Standortagentur Business Upper Austria, das Land OÖ, die WKOÖ sowie die Industriellenvereinigung. 150 Interessierte verfolgten die spannenden Vorträge.
Dr. Astrid Weiss von der TU Wien eröffnete die Session mit der Frage: Wenn Mensch und intelligente Maschinen zusammenarbeiten sollen: Wie gestalten wir die zukünftige Arbeitswelt? Sie zeigte dazu eindrucksvolle Beispiele aus der industriellen Fertigung oder auch dem Dienstleistungssektor, wobei die Akzeptanz laut letzten Forschungen bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht immer gegeben ist.
„Roboter müssen mit sozialen Schlüsselreizen arbeiten, damit die Interaktion, die Zusammenarbeit mit dem Menschen funktioniert. Denn so funktioniert der Mensch“, erklärte die Wissenschaftlerin. Das sind beispielsweise Blicke, Gesten, der Dialog oder soziale Interaktion. Lange herrschte die Annahme vor, dass der Mensch frei für kreative, schöpferische Arbeit wird, wenn Maschinen automatisierte Arbeitsschritte übernehmen. Die Realität der Praxistests sieht aber anders aus. „Wenn der Mensch nur mehr den Roboter überwacht und instand hält, ist das dann noch eine befriedigende, wertschöpfende Arbeit?“ gab Weiss zu bedenken.
Humanoide Roboter erzielten in der Konfliktmediation zwar die besseren Lösungen, fKIrer als menschliche Mediatoren verhielten sie sich laut Studienergebnissen aber auch nicht. Ohne, dass es uns bewusst ist, sind bereits viele Anwendungen für automatisierte Entscheidungen im Einsatz: bei Versicherungen für Kleinschäden, beim Vorselektieren von Bewerbern oder bei öffentlichen Einrichtungen. „Die Forschungswelt sieht das als problematisch an, weil die KI-Anwendungen nicht frei von Stereotypen und Diskriminierung sind. Das liegt am Datenmaterial, mit dem die Software gefüttert wird: Dieses kommt von Menschen und die sind nicht vorurteils- oder wertfrei“, erklärte Weiss.
Ihr Fazit: Die Menschen, die von KI unterstützt werden sollen, müssen gefragt und in den Entwicklungsprozess von Anfang an eingebunden werden. Weiss sieht eine Gefahr in der Entwertung der menschlichen Tätigkeit. Automatisierung in Form von assistierenden KI- und Robotik-Systemen habe bisher nur in wenigen Bereichen Einzug in die Arbeitswelt gehalten und bei weitem nicht – wie befürchtet – komplette Jobprofile ersetzt.
Priv.-Doz. Dr. Bernhard Moser, Research Director am Software Competence Center Hagenberg, berichtete über das vom SCCH koordinierte EU-Projekt „TEAMING.AI: Human-AI Teaming Platform for MKIntKIning and Evolving AI Systems in Manufacturing“. Im Zentrum des Projekts steht ein neuartiges Konzept für die Kooperation von Mensch und KI-Systemen in der Arbeitswelt auf der Grundlage von Ethik-by-Design. „Wir blicken sozusagen in das Uhrwerk der Technologie“, sagte Moser.
Das Problem sei, dass es noch keine Standards für soziale Aspekte im KI Engineering gibt. Diese versucht das Projekt zu erarbeiten. „Ein wichtiger ethischer Grundsatz ist dabei, dass wir nicht so etwas erleben wollen wie der Zauberlehrling“, betonte der Forscher. Anwendungsmöglichkeiten sieht er vor allem in der personalisierten und individualisierten Medizin sowie in der Produktion bei Losgröße-1 oder maßgefertigten Produkten. Ziel sei dabei, die Kundenbindung zu erhöhen und bessere Qualität zu liefern.
Im EU-Projekt geht es um den Respekt vor menschlicher Autonomie bzw. Unabhängigkeit anhand der Frage: Wie können wir die Souveränität des Menschen gewährleisten? Moser erläuterte weitere Aspekte: „Was nutzen uns die Regeln, wenn die Technologie nicht zuverlässig ist und die hohe Zuverlässigkeit mit Millionen Parametern gegeben sein muss?“ Der Experte betonte, dass nicht nur die KI den Menschen unterstützen soll, sondern dass auch die KI die Unterstützung des Menschen braucht. „Es geht also darum, dass Mensch und Maschine als Team arbeiten und jeder seine Stärken einbringt“, ergänzte Moser. Denn der Mensch ist flexibel, kann den Kontext erfassen, bewerten und einordnen. KI tut sich schwer damit. Wenn sich etwas ändert, führt dies oft zu Fehlern.
Moser ist außerdem Präsident der Austrian Society für Artificial Intelligence (ASKI). Diese vernetzt seit 40 Jahren die Wissenschafter im Bereich KI und berät die Bundesregierung. Erstmals schreibt die ASKI heuer den Bundeswettbewerb für KI auch in Österreich aus, gemeinsam mt dem Tübingen KI Center. Mitmachen können Schüler ab 14 Jahren aus allen Schulen in Österreich und Deutschland.
Dr. Roman Froschauer, Professor für Produktionsinformatik und Studiengangsleiter für Robotic Systems Engineering (Masterstudiengang) an der FH OÖ Campus Wels berichtete über einige Forschungsprojekte an der FH. In der Montage und Intralogistik passiert in heimischen Unternehmen noch Vieles manuell, weil die Tätigkeiten komplex und viele Anlagen zu wenig flexibel sind. „Sobald ein kleiner Bauteil geändert wird, kann ihn der Cobot oft nicht mehr greifen“, sagte der Professor. Der Mensch kann sich hier an veränderte Gegebenheiten besser anpassen. Außerdem würde Vollautomatisierung zu lange dauern und zu viel kosten, was sich bei oft kurzer Lebensdauer der Produkte nicht rechnet.
„Es ist für Menschen aber auch belastend, wenn sich ein Bauteil immer wieder ändert. Der Mitarbeiter fällt aus der Routine und muss sich immer wieder anpassen. Das verursacht Stress und Fehler“, erklärte Froschauer. Daher ist digitale Assistenz sinnvoll, die den Menschen die Anpassung erleichtert. Bildgebende Unterstützungssystem wie Augmented Reality, VR-Brillen, Displays oder akustische Informationen haben sich in der Montage bewährt. Damit die digitale Assistenz funktioniert, muss die KI zuvor mit der Arbeitsumgebung interagieren können und verstehen, wie der Arbeitsprozess eigentlich funktioniert. Beispielsweise muss die KI wissen, wie man ein Werkzeug hält oder wie man schraubt. Während Menschen das auswendig wissen und nicht darüber nachdenken, muss die KI solche Bewegungsabläufe erst lernen. Auch beim Überholvorgang zeigt sich, wie wir Menschen komplexe Situationen intuitiv beherrschen, während es nicht so einfach ist, Maschinen das Überholen beizubringen.
Eines der Projekte, an denen die FH Wels derzeit mitforscht, ist AUTILITY. Gemeinsam mit dem Flughafen Linz erprobt das Projektteam autonom fahrende Gepäcktrolleys zwischen Gepäckraum und Flugzeug. Froschauers Fazit: „Der Mensch bleibt das zentrale Element. Wenn die Unterstützung durch KI nicht gut gemacht oder nicht stabil ist, wird der Stress größer. Die Menschen, die unterstützt werden sollen, müssen von Anfang an in die Entwicklung eingebunden sein. Und das Feedback der mit der KI arbeitenden Menschen muss im Entwicklungsprozess ständig eingepflegt werden.“
Mag. David Hofer verantwortet als Geschäftsführer bei LIFEtool die Forschung, Entwicklung, Beratung und Versorgung mit assistierenden Technologien und digitalen Kommunikationshilfsmitteln für Menschen mit Behinderung aller Altersstufen. Der Sohn gehörloser Eltern wurde vom Erfinder und Unternehmer Alexander Graham Bell inspiriert, dessen Mutter ebenfalls gehörlos war. Gleich zu Beginn seines Vortrags stellte er die Maxime auf: „KI muss sich dem Menschen anpassen. KI soll den Nutzen maximieren.“
Hofer will mit seinem Unternehmen Barrieren für Beeinträchtigte überwinden. Dabei arbeitet er eng mit Dr. Roger Gassert, Professor für Rehabilitationstechnik an der ETH Zürich, zusammen. Im per Video eingespielten Interview sagte dieser: „KI ist ein Hype. Wir stehen aber noch vor vielen Herausforderungen. Vor allem brauchen wir qualitativ hochwertige Daten und müssen verstehen, was diese Daten beschreiben, damit wir ihnen vertrauen können.“ Es geht um die knifflige Frage, ob Sensoren das messen, was repräsentativ und für den Patienten relevant ist. Dabei müsse auch noch der Datenschutz berücksichtigt werden.
Gassert ist Miterfinder des Cybathlons, einem sportlichen Wettkampf für Menschen im Rollstuhl oder mit Prothesen. Unter anderem bewältigen die Teilnehmer dabei Treppen mithilfe von Exoskeletten. Der Wissenschaftler fokussiert sich vor allem auf unterstützende Systeme in der Rehabilitation von Menschen nach einem Schlaganfall oder einer Querschnittslähmung. Vor allem möchte er die Selbstständigkeit und Lebensqualität beeinträchtigter Menschen erhöhen. Gelingen kann das seiner Meinung nach nur auf Basis von „Human Centered Design“: „Erst in intelligenter Zusammenarbeit mit Menschen in einem benutzerzentrierten Ansatz können Künstliche Intelligenzen Barrieren abbauen und Menschen befähigen.“ Dabei sei es wichtig, dass die technischen Entwickler die Bedürfnisse der behinderten Menschen noch viel mehr berücksichtigen als dies bisher geschieht.
David Hofer berichtete schließlich von Assistenzsystemen, die bereits auf dem Markt erhältlich sind. Eine 22 Gramm leichte Kamera für Blinde und Sehbeeinträchtigte beispielsweise, an die Brille montiert, liest Texte vor und liefert akustische Infos über die Umgebung. Eine KI-unterstützte Kommunikations-App gibt Menschen ohne Lautsprache eine Stimme. Das ermöglicht etwa Kindern, die an Zerebralparese leiden, mit Ihren Mitmenschen zu kommunizieren. Der elfjährige Liam Weingartner aus Oberösterreich ist für Hofer das Best-Practice-Beispiel und besitzt durch diese Software „Superkraft“, wie Hofer es nennt.
Der Bub kann mithilfe der App und des Computers sprechen und ganz normal in die Schule gehen. Ab dem Alter von zweieinhalb Jahren hat Liam mit der Software trKIniert und so Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt. Er steuert damit seine Lego technik-Autos und eine Drohne. Liam musiziert und programmiert mit der Software und möchte später Polizist, Feuerwehrmann und Sanitäter werden. „Liam nutzt die KI in einem Ausmaß, wie kaum jemand und bringt daher sehr viele Kompetenzen die Zukunft mit. Er ist für mich ein Hoffnungsträger“, betonte Hofer.
Martin Essl, Stifter und Gründer der Essl Foundation, kam per Videozuspielung zu Wort. Martin und Gerda Essl haben 2007 mit ihren Kindern die Essl Foundation gegründet. Sie unterstützt Social Entrepreneurs und setzt soziale Innovationen um. Ihr Schwerpunkt liegt auf Bildung, Beschäftigung und Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen. Das Kernprojekt der Stiftung ist das Zero Project, das soziale Innovationen kofinanziert. Essl betonte: „Man muss Behinderte in die Entwicklung miteinbeziehen. Entwickler können ihnen nicht vorschreiben, was sie brauchen, denn das wissen diese Menschen selbst am besten.“
Dem Unternehmer ist es wichtig, dass KI nicht übers Ziel hinausschießt. Beispielsweise lehnt er es ab, dass KI beim AMS Arbeitsuchende vorselektiert und Beeinträchtigte ausschließt: „Es muss möglich sein, dass jeder, der an einem Job interessiert ist und glaubt, die entsprechenden Talente zu haben, sich bei einem Gesprächstermin präsentieren kann. Das ist entscheidend für unsere Wirtschaft und Gesellschaft!“ Essl selbst hatte dafür gesorgt, dass alle 300 Mitarbeiter – auch jene mit Beeinträchtigung – vom Käufer seiner baumax-Kette übernommen werden. Seine Vision: Nach der Pandemie eine neue Gesellschaftsordnung, eine neue RenKIssance etablieren, in der niemand zurückgelassen wird und jeder eine Perspektive für die Zukunft hat.
LIFEtool-Geschäftsführer David Hofer schloss mit den Worten: „Bei aller KI dürfen wir nicht auf das Zwischenmenschliche vergessen! Nicht der Mensch muss sich der KI, sondern die KI muss sich dem Menschen anpassen.“
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