15.11.2022
Die digitale Durchgängigkeit von Daten in der Maschinen- und Anlagenentwicklung und -produktion wird immer mehr zum erfolgskritischen Faktor. Noch fehlt allerdings der rote Faden durch den gesamten Produktentstehungsprozess. Mit dem Leitprojekt TraceMe widmen sich acht Unternehmen und sechs Forschungseinrichtungen aus Oberösterreich diesem Thema.
Die Digitale Transformation in Unternehmen aktiv gestalten und eine Spitzenposition erreichen ist eines der Ziele in der oberösterreichischen Wirtschafts- und Forschungsstrategie #upperVISION2030. Daher hat das Land Oberösterreich im Herbst 2021 eine Förderausschreibung für Digitale Transformation gestartet, um genau das zu erreichen: Know-how ausbauen, Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit stärken, Wissenstransfer von der Forschung in die Wirtschaft sowie eine breite Anwendbarkeit auf ganze Branchen. Der Mechatronik-Cluster hat dabei ein Projektkonsortium aus dem Maschinen-und Anlagenbau bei der Einreichung erfolgreich begleitet. Die Jury der Forschungsförderungsgesellschaft FFG hat das Leitprojekt TraceMe zur Förderung empfohlen.
Ziel ist die Entwicklung eines technologischen Rahmenwerks im Sinne des Digital Threads unter besonderer Berücksichtigung des Anforderungsmanagements und des Model-based Systems Engineering, das Daten und Datenflüsse aus allen relevanten technischen Disziplinen und Unternehmensbereichen verbindet und eine ganzheitliche Sichtweise einer Maschine oder Anlage über den gesamten Produktlebenszyklus ermöglicht. Dies gilt noch immer als hohe Schule der Informationstechnologie, für die bisher kein „Stein der Weisen“ gefunden wurde. TraceMe rückt von starren digitalen Informationswegen ab. Die Projektpartner wollen die Datenkommunikation auf eine gemeinsame Spur bringen.
Um effizient und kostensparend kommunizieren zu können, ist ein digitaler roter Faden, der Digital Thread, von Anfang an entscheidend. Je nach Unternehmen kann dieser Faden bildlich gesprochen dicker oder dünner sein, länger oder kürzer – ganz abhängig davon, was benötigt wird. Es ist auch möglich, den Faden von Kunden oder Lieferanten einzuweben. Der Digital Thread ist kein Softwareprodukt. Er ist vielmehr eine organisatorische Herangehensweise, eine Methodik, die eine Durchgängigkeit der in allen Phasen erfassten Daten aus verschiedenen IT-Systemen sicherstellt.
Der Innovationsgehalt von TraceMe liegt vor allem darin, die digitale Durchgängigkeit von Daten signifikant zu erhöhen und die Beherrschung der stetig steigenden Komplexität im Maschinen- und Anlagenbau durch Aufbau von Methodenkompetenz und Nutzung digitaler Technologien zu verbessern. Begleitend werden die rechtlichen Aspekte der Digitalen Transformation untersucht. Ein starker Fokus liegt auf dem Ausarbeiten von Weiterbildungskonzepten für Mitarbeiter. Der Mechatronik-Cluster setzt aus den Projektergebnissen Qualifizierungsangebote um und entwickelt einen Leitfaden, der der gesamten Branche zur Verfügung stehen wird.
Dieses Projekt ist unter anderem aus einer Diskussion im Beirat des Mechatronik- Clusters entstanden, in der Herausforderungen im Maschinen- und Anlagenbau und der Beitrag der Mechatronik als Enabler der Digitalen Transformation besprochen wurden. Gerade im modernen Maschinen- und Anlagenbau sind individualisierte und an spezifische Kundenanforderungen angepasste Lösungen gefragt. Und es bedarf einer hochflexiblen Fertigung, die auf Losgröße 1 abgestimmt ist. Requirements Engineering und Requirements Management fallen dabei eine zentrale Bedeutung zu. Die Unternehmenspartner bringen im Projekt entsprechende Use Cases ein, anhand derer die entwickelten Methoden und Modelle erprobt und optimiert werden können.
Mitte September erfolgte der Startschuss für das Projekt bei einer gemeinsamen Kick-off-Veranstaltung. Dabei ging es zunächst darum, ein gleiches Verständnis unter allen beteiligten Projektpartnern auf organisatorischer und inhaltlicher Ebene zu schaffen. So referierte Professor Klaus Zeman über die methodischen Grundlagen zu Model-based Systems Engineering und Use Cases zum Aufbau des Digital Threads. Letztere eignen sich insofern sehr gut, als sie das Strukturieren von Daten (Modellen, Parametern, Messdaten, etc.) ermöglichen und als Bauelemente von Digital Threads dienen können. Gerhard Pregitzer von Siemens Industry Software vervollständigte dies noch mit Daten und Fakten zur aktuellen Situation im klassischen Maschinen- und Anlagenbau. Sein Fazit: „Es gibt noch viel zu tun!“
Michael Mayrhofer, Leiter des LIT Law Labs, präsentierte mögliche rechtliche Herausforderungen bei der Digitalisierung von Unternehmensprozessen. Für das Projekt sind mehrere Bereiche relevant. Einerseits das Datenschutzrecht wegen des rechtssicheren Austauschs von Unternehmensdaten sowie der gemeinsamen Datenverantwortung, andererseits das Kartell- und Wettbewerbsrecht im Zusammenhang mit dem umfassenden Unternehmensdatenaustausch. Auch das Zivilrecht ist zu beachten, beispielsweise bei Analyse und Klärung (produkt-)haftungsrechtlicher Fragen oder Fragen der Vertragskonkretisierung und Gewährleistung – etwa beim digitalen Anforderungsmanagement. Und schließlich kommt das öffentliche Technikrecht bezüglich Produktsicherheit, Vertragsmodelle und betriebsanlagenrechtlicher Anforderungen zum Tragen.
Anhand der Use Cases soll in einem technisch-rechtlichen Co-Kreationsprozess die rechtssichere Umsetzung des Digital- Thread-Konzepts sichergestellt werden. Auch künftige Rechtsdokumente wie die KI-Verordnung, die derzeit in Arbeit ist, werden im Projekt miteinbezogen. Die Projektpartner profitieren dabei von der frühzeitigen Betrachtung der rechtlichen Aspekte von Beginn des Produklebenszyklus an.
Der nächste Schritt ist nun das Identifizieren der methodischen und technischen Grundlagen unter besonderer Berücksichtigung eines digitalen Anforderungsmanagements und des Model-based Systems Engineerings. Konkret werden partnerindividuelle Brownfield-Analysen der Bereiche Mensch, System, Prozess, Methodik, Organisation und entsprechende Zieldefinitionen für das Bearbeiten von Use Cases mithilfe geeigneter Datenmodelle entwickelt. Ergebnisse daraus werden in einem Whitepaper zum digitalen Prozessverständnis im Sinne der Verfügbarkeit einer einheitlichen Methodik und daraus abgeleiteter Vorgehensmodelle (Solution Design) für Requirements Engineering im Maschinen-und Anlagenbau zusammengefasst.
Konsortialführung:
Engel Austria
Unternehmenspartner:
Braun Maschinenfabrik, Framag Industrieanlagenbau, FILL, GTech Automatisierungstechnik, Kremsmüller Anlagenbau, TAT-TECHNOM-Antriebstechnik, Siemens Industry Software
Forschungspartner:
Johannes Kepler Universität Linz – Institut für Mechatronische Produktentwicklung und Fertigung sowie LIT Law Lab, Linz Center of Mechatronics (LCM), Fachhochschule OÖ – Campus Wels, RISC Software, Software Competence Center Hagenberg (SCCH)
Start: 1. September 2022
Laufzeit: drei Jahre
Gesamtbudget: 2,6 Millionen Euro
Fördersumme: 1,2 Millionen Euro
Dieses Projekt wird aus Mitteln der Strategischen Wirtschafts- und Forschungsstrategie #upperVISION2030 vom Land OÖ gefördert.