Auch das Frontend muss sicher sein

Gastbeitrag von Ing. Thomas Müller, Experte für Maschinensicherheit bei Festo Österreich

BionicCobot mit Adaptivgreifer DHEF © Festo
BionicCobot mit Adaptivgreifer DHEF © Festo
Skizze eines Adaptivgreifers DHEF © Festo
Skizze eines Adaptivgreifers DHEF © Festo

09.04.2020

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Cobots. Die industriellen Anwendungsmöglichkeiten werden immer mehr, die zu bewegenden Lasten immer größer. Genau deshalb dürfen dabei keine Risikoaspekte außer Acht gelassen werden.

Sowohl die Gesetzgebung als auch die harmonisierten Normen und natürlich auch die sozialen Aspekte leiten uns durch die Risikobeurteilung der Roboterapplikation. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf das Frontend gelegt werden. In diesem Zusammenhang ist auch das Werkstück bzw. das zu verarbeitende Material zu beachten.

Prozesseigenschaften

Aus meiner Sicht sind einige Prozesse aufgrund der nicht sicher beherrschbaren Gefährdungen für einen kollaborierenden Betrieb ungeeignet. Beispiele dafür sind die Materialeigenschaften (scharfkantig, spitz, Temperatur heiß/kalt, chemische Eigenschaften, Gewicht) und die Prozesseigenschaften wie hohe Geschwindigkeit bzw. Dynamik. In solchen Fällen gilt es, in der Beurteilung und Betrachtung nicht nur das Frontend, sondern die gesamte Roboterzelle miteinzubeziehen.

Technologieentscheidung

Ein sehr häufiger Einsatzfall für Roboteranwendungen ist die Verwendung als Lastmanipulator. Dabei ergeben sich einige Herausforderungen für die Greifmechanik. Abhängig von der jeweiligen Betriebsart muss das Greifsystem im Normalbetrieb das Werkstück sicher halten – auch bei hohen Beschleunigungskräften. Hier ist schon eine Technologieentscheidung zu treffen: Vakuumgreifer oder mechanische Greifer mit Form- oder Kraftschluss?

Sicherheitsfunktionen

Daraus ergeben sich Anforderungen an die Sicherheitsfunktionen: In welchem Performance-Level muss der Greifer sicherstellen, dass er das Werkstück nicht verliert? Ein weiterer äußerst wichtiger Aspekt ist die Betrachtung der Betriebsart „Einrichten“. In dieser Lebensphase ist technisches Fachpersonal mitunter unmittelbar im Greifbereich bzw. Werkstückbereich anwesend. Am wichtigsten ist hier, Menschen zu schützen. Der Schutz vor unerwartetem Anlauf (PUS lt. VDMA-24584) muss sicherstellen, dass keine unerwartete Schließ- oder Öffnungsbewegung des Greifsystems stattfindet.

Komponentenauswahl

Als Mitarbeiter eines Pneumatik-Unternehmens stelle ich hier sofort die Frage nach der richtigen Auswahl der Komponenten: Welche Möglichkeiten bietet mir die Roboterhardware, meine Anforderungen sicher zu erfüllen? Es geht um Sicherheitsfunktionen, die die Anforderungen der Kategorie 3 der EN ISO 13849-1:2015 erfüllen müssen. Sind in Systemen integrierte Ventile für den Einsatz geeignet? Steht die elektrische Hardware im Nahbereich des Frontends zur Verfügung? Auch in fluidtechnischen Greifsystemen müssen mitunter mehrere sicherheitsgerichtete Kreise in einer Anwendung umgesetzt werden. Manchmal sind daher sichere Bussysteme bis ans Frontend heranzuführen. Besonders bei Wechselsystemen wird dies immer wichtiger.

Konturgestaltung

Beim Ausgestalten eines Systems an einem Cobot mit einer sicheren Applikation ist auch die Konstruktion des Frontends zu beachten. Besonders bei der Konturgestaltung und den möglichen auftretenden Kräften muss die Sicherheit in allen Lebensphasen gewährleistet sein. Ist in Cobotanwendungen eine Zustimmfunktion in höherer Qualität (ab Kat.1 aufwärts nach EN ISO 13849-1:2015) notwendig, ist abzuklären, ob dies die Steuerung des Cobots ermöglicht.

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