18.11.2022
Für Blinde und sehbeeinträchtigte Menschen können Gehsteigkanten, Verkehrsschilder oder andere Hindernisse zu Stolperfallen werden und zu Verletzungen führen. Ein in einem Kooperationsprojekt entwickeltes „Schuhradar“ soll dies künftig verhindern.
Tec-Innovation hat bereits den InnoMake Schuh mit intelligenter Hinderniserkennung zur Verbesserung des Lebensalltags von sehbeeinträchtigten und blinden Menschen entwickelt und jahrelang erprobt. Die Ultraschallsensorik kann schon sehr viel, mit Radar ist aber noch einiges mehr an Sicherheit und Komfort für den Träger möglich. Denn bei gewissen Umgebungsbedingungen stößt Ultraschall an seine physikalischen Grenzen. Speziell beim Erkennen von Stangen oder Bäumen ist Radar eine Alternative. Besonders runde Objekte oder Objekte mit kleinen Strukturen wie ein Maschendrahtzaun erkennt Ultraschall schwerer.
Nun wollten das Linzer Entwicklungszentrum der Infineon Technologies Austria, das Institut für Signalverarbeitung der Johannes Kepler Universität Linz, die Netwiss aus Wien und die Tec-Innovation aus Niederösterreich herausfinden, ob sich Radartechnologie besser zur Erkennung bodennaher Hindernisse eignet. Die Projektpartner untersuchten die 60-GHz-Radarsensorik von Infineon und verglichen sie mit der Ultraschallsensorik von Tec-Innovation. Dafür wurde der Radarsensor in ein Gehäuse am Schuh eingepasst. Gleichzeitig erprobte das Forschungsteam, welche Kunststoffe geeignet und für die Radarsignale durchlässig sind. Um diese Störungen durch Interferenzen zu unterdrücken, entwickelte die Projektgruppe einen Metalltrichter. Tests sowohl im Labor als auch in realen Szenarien zeigten, dass der Radarsensor gleichwertige oder bessere Ergebnisse liefert. Die Algorithmen für die Tests entwickelte das Institut für Signalverarbeitung der JKU.
Auch das Material und die Oberflächenbeschaffenheit von Hindernissen spielen eine Rolle. Trockenes Papier und Plexiglas reflektieren Radarwellen beispielsweise weniger stark als Ultraschall. Schmutz oder Schaum können auch Ultraschallreflektionen beeinträchtigen. Schmutz oder Wasser direkt vor den Sensoren schwächen die ausgesandten und empfangenen Signale sowohl bei Radar- als auch bei Ultraschallsensoren. Radarsensoren sind zwar relativ unempfindlich gegenüber Schmutz und ähnlichen Umwelteinflüssen, nasser Schmutz verschlechtert aber die empfangenen Radarsignale. Bei Ultraschallsensoren verursacht jede Form von Verunreinigung eine schlechtere Qualität der Messung.
Im Vergleich zu den bisher eingesetzten Ultraschallsensoren sind die Radarsensoren kleiner, brauchen weniger Strom und können mehrere Objekte gleichzeitig erfassen. Das liegt an den von Infineon entwickelten Sensoren, die gleichzeitig Abstand und Winkel – horizontal und vertikal – messen können. Radarsensoren sind grundsätzlich zwar anfällig für Interferenzen, also Störungen durch andere Signalquellen, doch mit Algorithmen und weiteren Methoden ist dem Projektteam beim InnoMake Schuh ein reibungsloser Betrieb auf engem Raum gelungen.
Allerdings ist die Signalverarbeitung deutlich aufwendiger. Der Algorithmus braucht einen Schwellenwert, der nicht nur die Erkennungswahrscheinlichkeit maximiert, sondern auch die Wahrscheinlichkeit eines falschen Alarms minimiert. Die in diesem Projekt entwickelten Algorithmen sind derzeit noch zu rechenintensiv für den Einsatz am Schuh. Eine deutliche Reduktion des Rechenaufwands bedarf einer weiteren Forschung. Ebenso braucht es noch eine geeignete Mensch-Maschine-Schnittstelle. Da der InnoMake Schuh für sehbeeinträchtigte Menschen entwickelt wurde, muss dies ohne Visualisierung funktionieren. Die Forscher wollen hier auf der bereits existierenden App von Tec-Innovation aufbauen.
Radar- und ultraschallbasierte Technologie zur Hinderniserkennung im bodennahen Bereich
Projektpartner:
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