Können wir uns die intelligente Produktion auch leisten?

Gastkommentar von Gerhard Dimmler, CTO ENGEL AUSTRIA GmbH, Beiratssprecher Mechatronik-Cluster

Gerhard Dimmler, Beiratssprecher MechatronikCluster, ENGEL AUSTRIA GmbH © ENGEL AUSTRIA
Gerhard Dimmler, Beiratssprecher MechatronikCluster, ENGEL AUSTRIA GmbH © ENGEL AUSTRIA

26.04.2023

Künstliche Intelligenz und Machine Learning machen unsere Prozesse effizienter, unsere Produkte besser und ermöglichen völlig neue Anwendungen. Langfristig wird unsere Wettbewerbsfähigkeit hier in Zentraleuropa davon abhängen, wie gut wir diese neuen Methoden nutzen. Mit Automatisierung und Digitalisierung legen die Unternehmen derzeit die Basis für eine intelligente Produktion.

Der nächste notwendige Schritt ist, einen durchgehenden digitalen Datenfluss oder Digital Thread, wie es auf Neudeutsch heißt, herzustellen. Doch genau das stellt viele Unternehmen vor scheinbar unlösbare Herausforderungen. Die heute eingesetzten Softwaresysteme sind gekennzeichnet von Datenbrüchen, von Insellösungen, die historisch gewachsen sind, über viele Jahre maßgeschneidert wurden und für die bisherigen Anforderungen auch eine ungeschlagene Effizienz erreichen. Die zugrundeliegenden Datenmodelle genügen den heutigen Anforderungen aber nicht mehr.
 

Massiver Übergabeaufwand

Die notwendigen Anpassungen und Erweiterungen dieser tief verankerten Strukturen sind aufgrund der oft nicht bekannten und zum Teil massiven Wechselwirkungen sehr kritisch und teuer und führen spätestens bei der Pensionierung der treibenden Personen zu einem massiven Übergabeaufwand. Wer es dennoch versucht, findet sich in hochkomplexen Projekten wieder, mit langen Laufzeiten und einem hohen Personalaufwand. Und das ohne Aussicht auf Erfolg, da die neu geschaffenen Systeme und Strukturen an die Effizienz der ursprünglich maßgeschneiderten Insellösungen nicht heranragen.
 

Schwierige Entscheidung

Ein anderer Weg ist, die gewohnten Prozesse und Abläufe an die Systeme anzupassen, indem Standardlösungen großer Softwareanbieter genutzt werden. Der Aufwand ist aber auch hier groß. Neben den klassischen IT-Anwendungsexperten braucht es übergreifend denkende Generalisten, die oft neu aufgebaut werden müssen und eine lange Einarbeitungszeit benötigen. Die Standardsysteme zeigen zwar technisch plausible Möglichkeiten auf, besitzen jedoch Redundanzen. Manche Angebote konkurrieren. Sich für eine Lösung zu entscheiden, ist für Unternehmen daher schwierig. Es geht nicht nur darum, technisch die beste unter den vielen Lösungen zu finden, sondern vor allem darum, eine Lösung für eine Datendurchgängigkeit zu finden, die nicht nur heute, sondern auch in Zukunft leistbar ist.
 

Intransparente Kosten

Die Kosten für eine IT-Architektur werden in der konzeptionellen Phase festgelegt. Zu den Schwierigkeiten gehört, bereits in dieser frühen Phase das Datenvolumen und die in Zukunft benötigten Schnittstellen abzuschätzen, wenn sich noch nicht einmal sagen lässt, welche Softwaresysteme und Features von wie vielen Personen künftig genutzt werden sollen. Hinzu kommt, dass sich die Softwareanbieter mittlerweile mehr mit neuen Businessmodellen und Software-Paketangeboten als mit neuen Features beschäftigen, die sich noch dazu immer wieder ändern. Transparenz ist hier nicht gegeben, was für die Kalkulation der Kosten nicht hilfreich ist. Auch die prolongierte Flexibilität durch einen Schwenk von On-Premise-Lösungen zu SAAS (Software as a Service) hilft dabei nur punktuell.
 

Rollen und Verantwortlichkeiten definieren

Ungeachtet all dieser Problematiken führt mittelfristig aber kein Weg daran vorbei, die Datendurchgängigkeit sicherzustellen, will man die Vorteile der Automatisierung und Digitalisierung nutzen. Also ist es unumgänglich, dass sich Unternehmen über eine gesamtheitliche Enterprise-Architektur, die zugrundeliegenden Datenströme und die auf sie zukommenden Datenvolumina Gedanken machen. Nur so wird es möglich sein, die Kosten für unterschiedliche Szenarien abzuschätzen. Organisatorisch gilt es, Verantwortlichkeiten klar zu definieren und festzulegen, wer sich um ein übergreifendes Verständnis der Wechselwirkungen kümmert sowie ein systematisches Anforderungsmanagement aus den Fachbereichen oder den Business Cases aufbaut. Architektonisch geht es darum, in eine tragfähige EnterpriseArchitektur mit Plattformen, Standards und Schnittstellen zu investieren, die langfristig weiterentwickelt und erweitert werden kann.
 

Netzwerke und Synergien nutzen

Am Ende des Tages besteht die Herausforderung darin, heute noch nicht bekannte aber kommende Anforderungen umzusetzen, dabei Synergien zu nutzen und die stetig steigende Zahl an konkurrierenden Angeboten in der IT-Landschaft beherrschbar und leistbar zu halten. Auf sich allein gestellt werden das die meisten Unternehmen nicht leisten können. Umso mehr gilt es, Netzwerke wie den Mechatronik-Cluster, Erfahrungsaustauschrunden oder Projektgruppen zu nutzen. Das ist unsere Chance, die Transformation zur intelligenten Produktion für alle Unternehmen leistbar zu machen