Circotronic fördert Kreislaufwirtschaft in Elektro- und Elektronikbranche

Alte elektronische Geräte auf dunklem Hintergrund
Mehr Zirkularität in der Herstellung von Elektro- und Elektronikgeräten © Getty Images/Andrey Mitrofanov via Canva Pro

16.01.2024

Zirkuläre Wertschöpfungsketten und zirkuläre Geschäftsmodelle in der Elektro- und Elektronikbranche ‒ damit beschäftigt sich das von der EU geförderte Interreg-Projekt „Circotronic“. Der Cleantech-Cluster hat die Wertschöpfungskette umfassend analysiert. Ergebnis sind die Kernbereiche, in denen Unternehmen Kreislaufwirtschaft umsetzen und etablieren können. 

Der WEEE-Sektor (Waste Electrical and Electronic Equipment) bildet einen bedeutenden Aspekt der modernen Konsumgesellschaft, geprägt von der zunehmenden Nutzung elektronischer Geräte. Diese rasant wachsende Branche trägt allerdings auch erheblich zu Umweltauswirkungen und Ressourcenverbrauch bei. In diesem Kontext gewinnt die Implementierung zirkulärer Wertschöpfungsketten an essenzieller Bedeutung. Die Notwendigkeit dieser innovativen Ansätze liegt darin, die Lebensdauer elektronischer Produkte zu verlängern, den ökologischen Fußabdruck zu minimieren und eine nachhaltige Antwort auf die Herausforderungen des WEEE-Sektors zu bieten. Der Übergang zu zirkulären Wertschöpfungsketten wird somit zu einem zentralen Anliegen, um die Nachhaltigkeit in der Elektro- und Elektronikindustrie zu fördern und gleichzeitig einen effizienten Umgang mit Elektroabfällen zu gewährleisten. In Zeiten volatiler Lieferketten und globaler politischer Spannungen gilt es darüber hinaus, die Abhängigkeit von Ressourcenimporten zu minimieren, um eine kontinuierliche Verfügbarkeit und Versorgung innerhalb der Europäischen Union sicherzustellen. 


Ganzheitliche Betrachtung der Wertschöpfungskette 

Eine umfassende Analyse der Wertschöpfungskette im Elektro- und Elektroniksektor beginnt mit der Betrachtung traditioneller linearer Modelle. Hierbei werden Produkte vom Hersteller über die Nutzung bis zur Entsorgung in einer geradlinigen Abfolge behandelt. Der traditionelle Ansatz berücksichtigt den hohen Ressourcenverbrauch und die Umweltbelastung nicht. Die Einführung des Konzepts zirkulärer Wertschöpfungsketten markiert einen Paradigmenwechsel. Produkte und Materialien sollen nach ihrem Einsatzzyklus wiederverwendet, repariert und recycelt werden, anstatt den Zyklus zu beenden. 


Circular Design in der Elektronikproduktion 

Circular Design spielt eine entscheidende Rolle in der Elektronikproduktion, indem es auf eine nachhaltige und umweltfreundliche Gestaltung von Elektrogeräten abzielt. Die Bedeutung dieses Ansatzes liegt darin, Produkte von Anfang an so zu konzipieren, dass ihre Lebensdauer verlängert wird und ihre Umweltauswirkungen minimiert werden. Beispiele für innovative Circular-Design-Ansätze sind leicht zu reparierende Produkte, die den Austausch von Komponenten ermöglichen, sowie modulare Designs, die eine einfache Aktualisierung und Wartung ermöglichen. Diese Ansätze fördern nicht nur eine effizientere Ressourcennutzung, sondern tragen auch dazu bei, den Elektro- und Elektroniksektor auf einen nachhaltigeren Weg zu führen. 


Rückgewinnung und Wiederverwendung von Elektroaltgeräten 

Um Elektro- und Elektronikaltgeräte nach ihrem Einsatzzyklus zu behandeln, existieren immer ausgereiftere Technologien zur Rückgewinnung, die darauf abzielen, Ressourcen möglichst sortenrein und hochwertig zurückzugewinnen. Strategien zur Wiederverwendung von Altgeräten konzentrieren sich auf die Extraktion und erneute Nutzung von intakten Komponenten und Materialien, um eine zweite Lebensdauer zu ermöglichen. Diese Technologien und Strategien tragen nicht nur zur Reduzierung von Elektroschrott bei, sondern fördern auch eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. 


Recyclingtechnologien und Kreislaufwirtschaft 

Fortschrittliche Recyclingtechnologien, wie sie etwa die Firma Bernegger TBS gemeinsam mit der Montanuniversität Leoben, der RWTH Aachen und der Firma Küttner derzeit in Form der thermischen Metallgewinnung im oberösterreichischen Ennshafen realisiert, sollen ermöglichen, 99 % der Rohstoffe aus Elektro- und Elektronikschrott zu verwerten. 


Auszug aus der Website der Firma Bernegger TBS 

Die thermische Metallgewinnung ermöglicht es, den „Rest vom Rest“ so aufzusplitten, dass daraus praktisch alle Metalle, aber auch mineralische Rohstoffe zurückgewonnen werden können. Selbst aus sehr feinen Abfällen mit einem geringen Metallanteil von nur 1-2 % lassen sich noch die Metalle lösen und der erneuten Verwendung steht nichts mehr im Weg. Rohstoffe wie Kupfer, Gold und andere Edelmetalle bleiben somit weiter im Materialkreislauf. Mit dieser neuen Technologie werden nicht nur Metalle rückgewonnen, sondern auch weitere Produkte wie z. B. Bindemittel für die Bauindustrie produziert. Durch den revolutionären Prozess der TMG entspricht die Qualität der neugewonnenen Stoffe jener von Primärrohstoffen, welche sich zur Weiterverarbeitung bis hin zu elektronischen Geräten eignen. Die freiwerdende Energie wird als Nah- und Fernwärme genutzt sowie für die Stromproduktion. Durch effiziente Kreislaufwirtschaft in den Anlagen werden natürliche Rohstoffvorkommen geschont. Somit werden Rohstoffe zurückgewonnen, Energie optimal genutzt und die zu entsorgenden Reste auf unter 1 % reduziert. 


Studie bestätigt positive Umweltwirkung 

Eine Studie der Montanuniversität Leoben stellt fest, dass durch die thermische Metallgewinnung Umweltbelastungen im Vergleich zum aktuellen Stand der Technik massiv reduziert werden:

„Im Vergleich zur Gewinnung von Primärrohstoffen verringern sich Treibhausgase, Energie- und Ressourcenverbrauch massiv. Aber auch andere positive Umweltwirkungen wie die Reduktion des Flächenverbrauchs und die Schonung des Deponievolumens können erreicht werden“, präzisiert Universitätsprofessor Roland Pomberger von der Montanuniversität Leoben.

Technologien wie diese ermöglichen die Rückgewinnung hochwertiger Sekundärrohstoffe, führen zu unabhängiger Rohstoffversorgung und schonen durch die Verwendung der freiwerdenden Energie gleichzeitig die Umwelt. Jedoch sollten ein möglichst langer Produktzyklus und die Ausschöpfung aller Reparatur-, Reuse- und Weiterverwendungsmöglichkeiten prioritär behandelt werden. 


Zirkuläre Geschäftsmodelle für Dienstleistungen und Reparatur 

Die Bedeutung von Dienstleistungen wie Reparatur, Wartung und Upcycling rückt im Kontext zirkulärer Geschäftsmodelle im WEEE-Sektor besonders hervor. Diese Dienstleistungen tragen dazu bei, die Lebensdauer von Elektrogeräten zu verlängern und fördern somit nachhaltiges Konsumverhalten. Unternehmen, die erfolgreich auf servicebasierte Geschäftsmodelle setzen, dienen als wegweisende Beispiele für die Umsetzung zirkulärer Prinzipien. Durch die Einführung von Reparatur- und Wartungsdienstleistungen tragen diese Unternehmen nicht nur zur Reduzierung von Elektroschrott bei, sondern schaffen auch einen Mehrwert für Kunden und stärken die Ressourceneffizienz in der Elektro- und Elektronikindustrie. Solche zirkulären Geschäftsmodelle zeigen, dass nachhaltige Praktiken nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich vorteilhaft sein können. 


Best Practice: Refurbed 

Das Wiener Scale-up Refurbed, Marktplatz für erneuerte Elektroprodukte, hat in nur sechs Jahren einen Außenumsatz von mehr als einer Milliarde Euro generiert, 2022 die Profitabilität in Österreich und Deutschland erreicht und somit maßgeblich zur Vermeidung von WEEE beigetragen. Das Geschäftsmodell hat sich bewährt und wird derzeit in immer mehr Ländern Europas ausgerollt.  


Pay-per-Use-Modell 

Einen anderen Ansatz verfolgt das Unternehmen Homie aus den Niederlanden, welches sich einerseits auf ein Pay-per-Use- und andererseits auf ein Fixed-Subscription-Modell für Haushaltsgeräte entschieden hat. Product-as-a-Service-Dienstleistungen (PaaS) führen dazu, dass der Inverkehrbringer von Produkten ein intrinsisches Interesse an einer möglichst langen Lebensdauer seines Produktes hat, da das Produkt über den gesamten Lebenszyklus in seinem Besitz bleibt und für allfällige Reparaturen aufkommt. Dies führte im Fall von Homie dazu, dass die Firma eine Partnerschaft eingegangen ist, um eine eigene energieeffiziente, kostengünstige und langlebige Waschmaschine herstellen zu lassen. Das Pay-per-Use-Modell hat nach eigenen Angaben dazu geführt, dass der Wasser- und Energieverbrauch bei den Nutzern um bis zu 25 % gesunken ist. Das Angebot von Homie ist in den vergangenen Monaten um einige Produktkategorien gewachsen. Angaben zu Umsätzen oder Profitabilität finden sich jedoch keine. 


Partnerschaften entlang der Wertschöpfungskette 

Im Zuge von Gesprächen mit dem Advisory Board des Circotronic-Projekts wurde die Problematik der fehlenden Gesprächsplattform entlang einer möglichen zirkulären Wertschöpfungskette deutlich. Bislang gibt es kaum Gespräche oder Kooperationen zwischen Designern, Lieferanten, Herstellern und Recyclingunternehmen im Elektro- und Elektroniksektor. Hier möchte der Cleantech-Cluster der Business Upper Austria im Zuge von Circotronic unter anderem als Brückenbauer und Anbieter einer Gesprächsplattform auftreten, da diese als zentraler Baustein für ein Gelingen der Transformation gesehen wird. Ein Informationsaustausch darüber, was beispielsweise im Recycling bereits technisch möglich und/oder ökonomisch darstellbar ist, lässt sich dabei individuell oder als Gruppe von Unternehmen mit ähnlichen Anforderungen erörtern. 


Partnerschaftliche Produktentwicklung 

Elektronikhersteller könnten mit Design-Firmen kooperieren, um Produkte mit leicht austauschbaren Komponenten zu entwickeln, welche von den Recyclingfirmen im technologisch umsetzbaren Rahmen recycelt werden können, um so den effizienten Rückfluss von wiederverwertbaren Materialien zu gewährleisten. Diese partnerschaftlichen Bemühungen könnten nicht nur die Lebensdauer von Elektrogeräten verlängern, sondern auch den Materialfluss optimieren, Ressourceneffizienz steigern und einen geschlossenen Kreislauf für Elektro- und Elektronikprodukte fördern. Solche Synergien tragen nicht nur zur Abfallreduzierung bei, sondern zeigen auch, wie engagierte Kooperationen positive ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen haben können. 


Finanzierung und Unterstützung für zirkuläre Initiativen 

Die Zahl an Investoren, die zirkuläre Geschäftsmodelle unterstützen, wächst stetig. So hat die Series-C-Finanzierung des Scale-ups Refurbed 2023 trotz eines schwierigen marktwirtschaftlichen Umfeldes mit 54 Mio. Euro aufhorchen lassen. Darüber hinaus bieten Finanzinstitute zunehmend nachhaltige Finanzierungsoptionen an, die darauf abzielen, Projekte mit positiven Umweltauswirkungen zu unterstützen. Des Weiteren ermöglichen es Plattformen für Crowdfunding Unternehmen, direkte Unterstützung von einer breiten Gruppe von Einzelpersonen zu erhalten, die an nachhaltigen Praktiken interessiert sind. 


Regionale, nationale und EU-Förderprogramme 

Eine breite Zahl an Förderprogrammen auf EU-, nationaler und regionaler Ebene unterstützt die Erforschung und Implementierung von zirkulären Geschäftsmodellen. Auf EU-Ebene zählen dazu unter anderem das Horizon- und das Interreg-Programm. Auf nationaler Ebene unterstützt die österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mit einer Vielzahl an Programmen die Transformation zu einer effizienten, kreislauforientieren und klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft. Auch auf regionaler Ebene bieten die Bundeländer in Österreich individuelle Unterstützungen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft an. 


Fazit 

Der Elektro- und Elektroniksektor stellt einen zentralen Bereich in der modernen Konsumgesellschaft dar, jedoch geht diese rasant wachsende Branche mit erheblichen Umweltauswirkungen und Ressourcenverbrauch einher. Die Einführung zirkulärer Wertschöpfungsketten ist von entscheidender Bedeutung, um die Lebensdauer elektronischer Produkte zu verlängern, den ökologischen Fußabdruck zu minimieren und nachhaltige Lösungen für die Herausforderungen des Sektors zu bieten. Dieser Übergang wird zu einem zentralen Anliegen, um die Nachhaltigkeit in der Elektro- und Elektronikindustrie zu fördern und einen effizienten Umgang mit Elektroabfällen zu gewährleisten. Gleichzeitig ist es wichtig, die Abhängigkeit von Ressourcenimporten zu minimieren, um eine kontinuierliche Verfügbarkeit und Versorgung innerhalb der Europäischen Union sicherzustellen.  

Die enge Zusammenarbeit entlang der zirkulären Wertschöpfungskette, innovative Circular-Design-Ansätze, Technologien zur Rückgewinnung und Wiederverwendung von Elektroaltgeräten, fortschrittliche Recyclingverfahren sowie zirkuläre Geschäftsmodelle und finanzielle Unterstützung sind Schlüsselaspekte für eine nachhaltige Transformation der Elektro- und Elektronikindustrie. Dieser Wandel bietet nicht nur ökologische Vorteile, sondern zeigt auch das zunehmende Interesse und die Unterstützung durch Investoren und Förderprogramme auf verschiedenen Ebenen. Es ist entscheidend, diese Dynamik zu nutzen, um einen nachhaltigen und zirkulären Ansatz in der Elektro- und Elektronikbranche zu fördern, trotz aller Herausforderungen. 


Quellen: 


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Georg Alber

Georg Alber, BSc

Projektmanager

Fachbereich Smart Engineering

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