05.02.2024
Hauben aus der 3D-Strickmaschine. Roboter, die langweiliges Kleben von Holz übernehmen. Der Eierspeis‘-Automat fürs Frühstücksbuffet. Automatisierte Produktion in allen Facetten ist für immer mehr Unternehmen am Standort Oberösterreich schon heute tägliches Geschäft. Und das ist auch notwendig, um in Zeiten von Fachkräftemangel und steigenden Energiekosten wettbewerbsfähig zu bleiben.
Erstmals hatte die oberösterreichische Standortagentur Business Upper Austria zu diesem Format eingeladen: Lösungsanbieter trafen auf potenzielle Anwender. Praxisbeispiele aus unterschiedlichen Branchen und Fachvorträge aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen zeigten Möglichkeiten auf. Rund 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer informierten sich in der Österreich-Niederlassung des Industrieroboter-Herstellers FANUC über den aktuellen Stand der Entwicklung. Sie erlebten dabei Live-Vorführungen von Exoskelett bis zur Virtual-Reality-Anwendung. Bei Exkursionen zu AGILOX, Technologieführer für Autonome Mobile Roboter, und zu Miba Sinter bekamen die Besucherinnen und Besucher exklusive Einblicke in angewandte Robotik.
Wie ein roter Faden zog sich durch die Veranstaltung, dass bei allen Vorträgen rund um Automatisierung auffallend oft der Faktor Mensch angesprochen wurde.
So präsentierte Thomas Edtmayr von Fraunhofer Austria Research Studienergebnisse zum Einsatz von Robotik in der Industrie. Eine überraschende Erkenntnis: Unternehmen, die bereits Automatisierung umsetzen, schaffen mehr Arbeitsplätze als solche, die das nicht tun. Fraunhofer beschäftigt sich viel mit humanzentrierter Arbeitsplatzgestaltung und sieht in dieser Tradition noch viel Potenzial für Automatisierung, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. „Insgesamt wir die Bedeutung von Automatisierung von den Unternehmen erkannt, Produktivität und Wirtschaftlichkeit zu verbessern“, sagte Edtmayr. Er hatte auch praktische Tipps für jene Unternehmen parat, die erstmals Roboter einsetzen wollen. Wichtig sei eine strukturierte Vorgehensweise von der Analyse bis zur laufenden Kontrolle.
Die Maschine ersetzt nicht den Menschen, sondern soll den Menschen in die Handlungsfähigkeit bringen, davon ist Ronald Pommer von der Fachhochschule Oberösterreich überzeugt. Er gab einen Einblick in die Ingenieurspsychologie, deren Ziel es ist, das Empfinden und Verhalten von Menschen in Wertschöpfungsprozessen zu analysieren. „Menschen tendieren dazu, neue Technologien zu überschätzen. Auf lange Sicht unterschätzen sie jedoch, was Maschinen tatsächlich leisten können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen in den Prozess aktiv miteinbezogen werden, denn sonst werden sie die Entwicklungen nicht mittragen“, erklärte Pommer. Ein wichtiger Punkt in der Mensch-Maschinen-Interaktion ist es, für die passende Unternehmenskultur zu sorgen. Zukunftsgerichtetes HR-Management soll die Angst vor der Zukunft nehmen.
Gastgeber Thomas Eder von FANUC ist ohne Zweifel einer der größten Verfechter der Automatisierung. „Für den Standort und die Wohlstandssicherheit ist Automatisierung ein wichtiger Faktor – und diese Tendenz wird noch weiter zunehmen. Wir sollten also längst nicht mehr überlegen, ob wir automatisieren, sondern wie wir automatisieren. Zur Absicherung von Qualität kommt man an Automatisierung ohnehin nicht mehr vorbei“, ist Eder überzeugt. Die Einblicke in die FANUC City in Japan, die Eder in seinem Vortrag präsentiert, wirken futuristisch. Im Gegensatz zu den ca. 3.000 menschlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Produktionsstätten wissen die rund 5.000 Roboter den atemberaubenden Blick auf den Mount Fuji wohl nicht zu schätzen.
Die Umsetzungsberichte aus den Unternehmen gingen weit über den klassischen Maschinenbau hinaus. Raphael Spiesberger-Höckner von der Miba AG und Michael Denk von der Industrie Informatik GmbH präsentierten MES (Manufacturing Execution System) als Informationsdrehscheibe, die als ein Bindeglied zwischen ERP und Shopfloor fungiert. Die Einführung des Transportmoduls bei Miba Frictec in Roitham wurde schnell realisiert und benötigte dank der No-Code/Low-Code-Plattform von Miba ein deutlich geringeres Budget als ursprünglich angenommen. Das Ergebnis: Reporting ist nun auf kleinster Ebene möglich und die Qualität ist stark angestiegen.
Bei KEBA ist Künstliche Intelligenz bereits seit fünf Jahren ein wesentlicher Bestandteil in der Entwicklung. Der derzeit bestehende Arbeitskräftemangel führt dazu, dass Maschinen intelligenter gemacht werden müssen. Somit wurde ein autonomer Roboter entwickelt, mit dem man reden kann, der via Sprache neue Objekte erkennt, der fühlt und lernt. Thomas Linde von der KEBA Group wies darauf hin, dass es dazu jedoch leistungsfähige Hardware braucht, die in der Software sehr flexibel ist.
Walter Kohlbauer, CEO der AGS Engineering GmbH fasste die vielen Vorteile innovativer Robotertechnologie für Fräsanwendungen zusammen: Sie sind kostengünstiger, sorgen für höchste Flexibilität, sind einfach zu integrieren, haben eine hohe geometrische Erreichbarkeit und sind eine interessante Alternative zum Bearbeitungszentrum. Die Nachteile halten sich in Grenzen. Dazu zählen die etwas schlechtere Steifigkeit gegenüber einem Bearbeitungszentrum und die geringere Genauigkeit.
In der Herstellung von Stabdeckelelementen der Lidauer Tischlerei GmbH ist der Roboter nicht mehr wegzudenken. Was früher jährlich 1.000 Arbeitsstunden verschlungen hat, erledigt nun „Kollege Roboter“. Das monotone, zeitintensive und unergonomische Ausfugen mittels Beutelkartusche geschieht nun durch einen kraftgeregelten Roboter nach dem Slot-Car-Prinzip. Starthilfe gab das Kooperationsprojekt RoboCoat, das gemeinsam mit der Profactor GmbH als Forschungspartner und mit Unterstützung des Mechatronik-Clusters umgesetzt wurde. Seitdem benötigt es um 60 Prozent weniger Personaleinsatz, was bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr gut angekommen ist. Der Materialverbrauch konnte um 30 Prozent und der Abfall sogar um 90 Prozent verringert werden.
Alfred Ritirc (Lenze Automatisierungstechnik) zeigte, was Lenze mit seinem komplett durchdigitalisierten Standort anstellt – etwa eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung. „Momentan läuft bei uns außerdem ein Forschungsprojekt, in dem unter anderem Virtual Reality bzw. Augmented Reality genutzt werden, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Montage zu trainieren“, berichtete Ritirc.
Beim Textilproduzenten Eisbär in Feldkirchen/Donau stellen sich rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem harten, globalen Wettbewerb. Entgegen der landläufigen Meinung sei Stricken eine hochmoderne Produktionstechnologie, sagte Eisbär-Geschäftsführer Ronald Mühlböck. „Durch Digitalisierung und Automatisierung erhöhen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit am Standort Oberösterreich.“ Mit neuesten 3D-Strickmaschinen werden (manuelle) Arbeit und auch Material eingespart, weil Verschnitt wegfällt. Außerdem ermöglicht diese Technologie eine rollierende Produktionsplanung.
Einblick in eine wenig automatisierte Branche, die aber umso höheres Potenzial hat, bot Reinhard Halusa. Mit seinem Start-up Dinnity hat er sich der Automatisierung der Gastronomie verschrieben. Erste Entwicklung: ein Roboter, der am Frühstücksbuffet innerhalb kürzester Zeit frische Eierspeise zubereitet. Dabei ist das erst der Anfang, können doch laut Studien in Zukunft zwei Drittel der Gastrojobs durch Automatisierung ersetzt werden. In Zukunft wolle sich Dinnity daher auf die Automatisierung in der Systemgastronomie konzentrieren, so der Start-up-Gründer.
In Oberösterreich gibt es viele Lösungsanbieter im Maschinenbau und der Automatisierungstechnik. Entsprechende Kompetenzträger sind an Universitäten und Fachhochschulen sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen tätig. Über das Cluster-Netzwerk erhalten Unternehmen beispielsweise Zugang zu sogenannten Digital Innovation Hubs auf regionaler und nationaler Ebene und auf europäischer Ebene zum Netzwerk EIT Manufacturing, das die Fertigungsindustrie in Europa stärken will. Diese Faktoren machen Oberösterreich zur Kompetenzregion für intelligente Produktion.
Dennoch gibt es noch viel zu tun, um intelligente Produktion vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen aller Branchen zu etablieren. Unsere Standortagentur Business Upper Austria bietet dafür zahlreiche weitere Formate und Veranstaltungen, vom Erfahrungsaustausch in kleinen Gruppen über Betriebsbesichtigungen bis hin zu Kooperationsveranstaltungen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene. Letztendlich sollen dadurch Innovationsprojekte angestoßen werden, die den Automatisierungsgrad in der oö. Wirtschaft erhöhen.