12.07.2022
Die österreichische Leichtbauplattform A2LT ist eine Erfolgsgeschichte. Robert Machtlinger, CEO der FACC, hat als Plattformsprecher die inhaltliche Neuausrichtung mit Fokus auf nachhaltigen, leistbaren und intelligenten Leichtbau angestoßen und geprägt. Stefan Seidel, CTO von Pankl Racing Systems, war daran schon intensiv beteiligt und wird die Roadmap als neuer Plattformsprecher nun operativ umsetzen. Im Interview sprechen die beiden „Sirs“ des Leichtbaus über ihre Motivation, ihre Philosophie und den Nutzen von A2LT.
Warum haben Sie sich als Beiratssprecher in der A2LT-Plattform engagiert?
Machtlinger: Leichtbau ist eine Querschnittstechnologie mit vielen Facetten und Anwendungsgebieten. Nur durch die Verwendung verschiedener Leichtbaumaterialien und optimale Fertigungsprozesse können beste Ergebnisse erzielt werden. Die A2LT ist ein Verbund aller führenden Unternehmen in Österreich im Umfeld der Leichtbautechnologie. Wir sehen es als unsere Aufgabe, die Vernetzung in diesem Umfeld ständig zu verbessern – denn Erfolg braucht Zusammenarbeit.
Warum engagieren Sie sich als Beiratssprecher in der A2LT?
Seidel:Die A2LT hat sich zu einem wichtigen Zusammenentschluss von führenden Technologieunternehmen entwickelt, die ihren Fokus auf Innovation und Leichtbau haben. In so einem Konsortium die Rolle als Beiratssprecher anzunehmen, ist eine sehr spannende Herausforderung. Dies beinhaltet auch die künftige Ausrichtung der A2LT vor allem hinsichtlich Nachhaltigkeit und Digitalisierung sowie als zentralen Angelpunkt der nationalen Leichtbauagenden.
Welchen Nutzen bringt das für Ihr Unternehmen und die Unternehmen der A2LT?
Machtlinger: Innovation lebt vom Austausch und der Kooperation. Nur wenn wir von- und miteinander lernen und uns zu neuen Entwicklungen austauschen, können wir in Österreich aber auch als Branche generell erfolgreich sein. Auch der sprichwörtliche Blick über den Tellerrand ist für uns eine wichtige Horizonterweiterung. Oft bieten sich bei einer branchenübergreifenden Betrachtung völlig neue Perspektiven.
Seidel: Der Fokus, die A2LT als zentrale branchenübergreifende Schnittstelle für Leichtbauthemen zu etablieren, ist ein hoher Mehrwert für alle an der A2LT beteiligten Unternehmen. Einerseits können wir dadurch verstärkt Fördermittel lukrieren und gemeinsame Forschungsprojekte vorantreiben, was unsere Rolle als Technologieführer weiter festigt, andererseits steigt dadurch auch die Sichtbarkeit der Produkte und Mitgliedsunternehmen.
Das A2LT-Positionspapier trägt den Titel „Roadmap für nachhaltigen, leistbaren, intelligenten Leichtbau als österreichisches Stärkefeld“. Wie ist Ihr Standpunkt dazu?
Machtlinger: Leichtbau ist eine der Schlüsseltechnologien, die uns helfen wird, die ambitionierten Klima- und Nachhaltigkeitsziele als Industrieland zu unterstützen. Das Positionspapier gibt genau hier Schwerpunktthemen vor – mit dem Ziel, die österreichische Leichtbautechnologie noch innovativer zu machen als diese ohnehin schon ist. Wir unterstützen dieses Anliegen und ich kann nur betonen, wie wesentlich Leichtbau den Transformationsprozess speziell im Mobilitätsbereich unterstützen wird. Denn leichter ist zugleich effizienter. Besonders hinsichtlich Nachhaltigkeit ist das ein immenser Hebel. Als Hightech-Land ist es für uns eine große Chance, mit Neuentwicklungen international erfolgreich zu sein.
Seidel: Österreich beheimatet viele führende Technologieunternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen, von denen sich viele mit dem Thema Leichtbau beschäftigen. Die A2LT bietet eine solide Plattform, um sich zu vernetzen, sich auszutauschen und gemeinsam den Leichtbau voranzutreiben. Da das Thema Leichtbau auch immer mehr in große Serienanwendungen Einzug findet, rückt das Thema Kosteneffizienz auch verstärkt in den Vordergrund. Um erfolgreich zu sein, gilt es nicht nur, technologisch vorne zu sein, sondern auch preislich attraktiv zu sein. Zusätzlich gilt es auch, die Trends hinsichtlich Nachhaltigkeit und Digitalisierung in die Produktionsprozesse und die Produkte einfließen zu lassen. Dabei rücken vor allem die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung in den Fokus, die man behandeln muss, um ein international führender Player im Leichtbau-Segment zu werden bzw. zu bleiben. Wir dürfen das Thema „Leichtbau“ nicht als Einzeldisziplin sehen, sondern vielmehr als eine Verkettung von Kompetenzen aus den verschiedensten Bereichen, um so eine Basis für die Etablierung der Effizienz zu bilden. Und die Plattform bietet dafür eine sehr gute Voraussetzung.
Wo sehen Sie die Stärken der österreichischen Leichtbau-Player?
Machtlinger: Unsere Stärken liegen in der hohen Diversität in Bezug auf das Gesamtsystem. Wir haben technologieführende Unternehmen sowohl in der Material-, im Halbzeug, im Prozess- als auch im Fertigproduktumfeld. Dazu kommt die hervorragende Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Universitäten. Die A2LT ist dafür ein wunderbares Beispiel. In Verbindung mit modernsten Fertigungsmethoden und hochqualifiziertem Personal stehen wir international für innovative Leichtbautechnologien.
Seidel: Stärken gibt es viele. Allen voran muss man die fundierte technische Ausbildung hervorheben, die die österreichischen Hochschulen anbieten. Dieser hohe wissenschaftliche Standard prägt maßgeblich das Know-how und die Forschungsfelder in den Unternehmen zu dem Thema. Weiters ist die globale Ausrichtung vieler Partnerunternehmen ein Wettbewerbsvorteil – viele A2LT-Mitglieder sind weltweit führend in ihren Marktsegmenten. Auch im Bereich Nachhaltigkeit haben viele Unternehmen bereits große Fortschritte erzielt und eine gute Basis geschaffen.
Und wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Machtlinger: Österreich ist ein Technologie-Exportland – viele unserer Kunden schätzen unsere Produkte, weil wir Lösungen anbieten, die es nur in Österreich gibt. Dieses wichtige Asset müssen wir fokussiert und mit viel Weitblick ausbauen und fördern. Es muss unsere Strategie sein, auf Hightech und Innovation zu setzen, das braucht Technologieoffenheit und Forschung. Es ist daher Aufgabe und Herausforderung zugleich, dass wir frühzeitig die Weichen stellen – und zwar in vielen Bereichen. Von der Erforschung neuer Materialien und Prozesse bis hin zur Ausbildung von Arbeitskräften. Nur so können wir unsere Position am internationalen Markt nachhaltig sichern.
Seidel: Um auch künftig technologisch die Führungsrolle einnehmen zu können, müssen notwendige Investments an den richtigen Stellen getätigt werden. Das geht nur in Zusammenarbeit mit der Politik. Der richtige Einsatz von Förderinstrumenten ist wichtig, um diese Vorreiterrolle nicht zu gefährden. Zudem bietet die Digitalisierung Unternehmen zwar viele Möglichkeiten und Entwicklungspotenziale, aber auch einen Shift vom Kerngeschäft zu neuen Technologien. Eine große Herausforderung wird dabei sein, dass Unternehmen in diesem Feld ihren Fokus finden, um gezielt neue Strategien zu verfolgen.
Der Green Deal der EU beschäftigt sich mit der Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit. Welche Rolle spielt hier der Leichtbau?
Machtlinger: Gerade in der Mobilitätsindustrie führt hinsichtlich Nachhaltigkeit am Leichtbau kein Weg vorbei. Das Potenzial zur Einsparung von CO2 ist enorm – denn ein geringes Gewicht benötigt weniger Energie im Betrieb. Neue Fertigungsverfahren wie der 3D-Druck, bei dem Werkstoffe z.B. in bionischen Strukturen aufgebaut werden können, reduzieren das benötigte Material erheblich.
Seidel: Der Leichtbau ist sicherlich eine Schlüsseltechnologie, um viele Industriezweige nachhaltiger zu gestalten, da er einerseits ressourcenschonender in der Fertigung ist, andererseits aber auch Nachhaltigkeit in der Produktnutzung ermöglicht. Vor allem im Transportbereich spielt der Leichtbau eine sehr große Rolle. Somit werden Leichtbaulösungen maßgeblich die Mobilitätskonzepte der Zukunft beeinflussen.
Welche Trends, Technologien und Forschungsgebiete könnten diese Entwicklung beschleunigen?
Machtlinger: Der Trend geht in Richtung einer ökologischen Gesamtbetrachtung von Technologien – also der Nachhaltigkeitsbewertung von der Erzeugung der Materialien, dem Produkt selbst, dem ökologischen Fußabdruck während des Betriebs bis hin zur Recyclefähigkeit am Ende des Produktlebenszyklus. Darüber hinaus müssen Technologien wirtschaftlich und leistbar sein. Ich bin zuversichtlich, dass wir bei entsprechender Technologieoffenheit die gesellschaftlichen und politischen Erwartungen erfüllen können. Die A2LT Roadmap vereint all diese Faktoren – wir benötigen nachhaltige, leistbare und intelligente Gesamtsysteme, um in der Technologiebereitstellung sowohl für bestehende aber auch neue Anwendungen die optimale Lösung bereitzustellen.
Seidel: Unabhängig vom Antriebskonzept oder Transportmittel: Integrierte Leichtbaukomponenten führen dazu, dass weniger Masse bewegt werden muss. Im Umkehrschluss wird so weniger Energie für die Fortbewegung eingesetzt. Somit hat der Leichtbau in allen Mobilitätskonzepten einen wesentlichen Einfluss. Entscheidend dabei ist, sich nicht nur auf die einzelnen Bauteile, sondern auf die Vorteile von Leichtbaukonzepten im Gesamtsystem zu fokussieren. Dabei muss die CO2-Einsparung künftig in der Bewertung der Bauteile berücksichtigt werden. Denn nur so können sich neue Technologien, die aktuell noch nicht kostenmäßig attraktiv sind, besser am Markt etablieren. Die Industrialisierung moderner Fertigungsverfahren wie zum Beispiel des 3D-Drucks wird ein wichtiger Aspekt sein, um innovative Leichtbaulösungen breit am Markt auszurollen.
Warum ist Kooperation im Leichtbau so wichtig?
Machtlinger: Der Leichtbau ist ein interdisziplinäres Innovationsfeld. Die unterschiedlichen Strategien und Methoden zur Optimierung reichen von der Entwicklung neuer Materialien bis hin zu neuen Fertigungsprozessen oder optimierten Bauteilstrukturen. Welche Ansätze für das eigene Produkt letztlich erfolgreich sind, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Entsprechend wichtig ist es zu wissen, welche Technologieentwicklungen sich derzeit in der Pipeline befinden, um dann jeweils auf Spezialisten zurückzugreifen und sich untereinander auszutauschen.
Seidel: Die Kombination von Material, Design und Fertigungstechnologien bildet die Basis des Leichtbaus. Nur wenn die richtigen Materialien für ein entsprechendes Design zur Verfügung stehen und das auch nachhaltig, ressourcenschonend und leistbar produziert werden kann, ist es möglich, innovative Lösungen breit auszurollen. Die rasante Weiterentwicklung sowohl hinsichtlich Materialien als auch Fertigungsmöglichkeiten macht es immer schwieriger für einzelne Unternehmen, die gesamte Palette einzeln abzubilden. Dadurch wird es immer wichtiger, Kooperationen einzugehen, um in allen Teilaspekten die Technologieführerschaft abzubilden. Und genau das ist der Grundgedanke der A2LT: Sie vernetzt Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen, um so die Basis für nachhaltigen, leistbaren und intelligenten Leichtbau zu bieten.
Wo sehen Sie neben der Mobilität noch weitere Leichtbau-Schwerpunktbranchen?
Machtlinger: Besonders die Baubranche profitiert vom Leichtbautrend, da hier der Materialbedarf besonders hoch ist. Leichtbau ist allerdings generell ein Querschnittsthema, das nahezu überall eine Rolle spielt.
Seidel: Leichtbau hält in vielen Branchen unseres täglichen Lebens Einzug. Ein essenzieller Bereich ist sicherlich die Mobilität, aber auch für den Anlagenbau bietet Leichtbau viele Potenziale, ebenso wie in der Baubranche bis hin zur Luft- und Raumfahrtindustrie. Gerade die Raumfahrt wird künftig auch an Bedeutung gewinnen, da diese Branche eine deutliche Wachstumskurve erwartet und jedes Gramm Gewichtseinsparung enorme Auswirkungen hat.
Woran arbeiten Sie bei FACC im Hinblick auf Leichtbau gerade?
Machtlinger: Wir leben Leichtbau in jedem unserer Produkte und jeder unserer Entwicklungen – und das seit der Gründung der FACC. Leichtbau ist in unserer DNA fix verankert. Aktuell sind wir besonders stolz darauf, dass wir mit unseren Kunden die Leichtbautechnologien für die kommende Flugzeuggeneration entwickeln dürfen. Hier reicht die Bandbreite von der Entwicklung von Flugzeugstrukturkomponenten, die 100 % recyclefähig sind, bis hin zur Entwicklung von biologischen Rohmaterialien. Unser Ziel ist es, die Herstellungskosten im Leichtbau erheblich zu senken, im Umfeld der industriellen FACC-Fertigung bis 2040 CO2-frei zu sein und somit die Umsetzung der Ziele unserer Kunden und der Branche bestmöglich zu unterstützen. Dass sich unsere Forschungsausgaben auszahlen, zeigt der SPACE-Auftrag der ArianeGroup, den wir kürzlich erhalten haben. Für uns ist das ein wichtiges Zukunftsthema, das wir in unserer Unternehmensstrategie 2030 als ein neues Geschäftsfeld definiert haben. Hier können wir die FACC Composite-Technologien, die wir in den vergangenen Jahrzehnten für die Aviation Industrie entwickelt haben, sehr gut einbringen.
Woran arbeiten Sie bei Pankl Racing im Hinblick auf Leichtbau gerade?
Seidel: Auch wir bei Pankl versuchen laufend, unsere Produkte mit innovativen Werkstoffen und neuen Designs zu optimieren und dadurch unseren Rennsportkunden einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Die Technologien werden in weiterer Folge industrialisiert, um sie auch in der Serienproduktion im Automobilbereich zu etablieren. Dabei nutzen wir unsere modernsten Inhouse-Fertigungsverfahren, wie beispielsweise den metallischen 3D-Druck in unserem Pankl Additive Manufacturing Competence Center mit Sitz in Kapfenberg.