21.04.2023
Mit unseren beiden neuen Beiräten decken wir die Mechatronik von der Ausbildung bis zum Internet of Things ab. Wolfgang Bodei ist Direktor der HTL Hollabrunn, Stefan Pfeffer CFO der Microtronics Engineering GmbH. Um sie besser kennenzulernen, baten wir sie zum Interview.
Herr Bodei, was war Ihre Motivation, sich im Mechatronik-Cluster zu engagieren?
Als Sprecher aller HTL-Direktoren Österreichs ist es mir ein Anliegen und zugleich eine Ehre, im Mechatronik-Cluster das technisch-gewerbliche Schulwesen vertreten zu dürfen.
Welche Themen sind Ihnen wichtig und werden Sie im MC vorantreiben?
Wichtig ist, die schon jetzt sehr gute und enge Zusammenarbeit der HTLs mit der Industrie/Wirtschaft weiter zu intensivieren. Weiters ist es sehr wichtig, das Verständnis der Industrie und Wirtschaft für die Bedürfnisse und Anliegen der HTLs zu fördern und um entsprechende Unterstützung zu werben.
Wie sieht die Zusammenarbeit der HTL Hollabrunn mit der Wirtschaft aus?
An der HTL Hollabrunn pflegen wir eine sehr enge und äußerst wertschätzende Zusammenarbeit mit verschiedensten Unternehmen in Form von Diplom- und Abschlussarbeiten, Umsetzung diverser kleiner oder größerer Projekte sowie der Teilnahme an unterschiedlichsten Wettbewerben. Wir bieten nicht nur eine Gratis-Jobbörse auf unserer Website an, sondern veranstalten auch einmal im Jahr einen Karrieretag ähnlich einer Jobmesse. Unternehmen besuchen uns immer wieder, um in Form von Fachvorträgen künftige Absolventen auf sich aufmerksam zu machen. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass wir immer wieder Spezialkurse für Unternehmen anbieten. Aktuell für die Innung der Elektrotechniker alle zwei Monate eine Photovoltaik-Praktikerausbildung sowie für die EVN einen IT-Werkmeisterkurs.
Nach Industrie 4.0 ist das neue Schlagwort „Intelligente Produktion“ bzw. Industrie 5.0. Was bedeutet das für Sie bzw. haben Sie die Ausbildung schon darauf ausgerichtet?
Wir haben an der HTL Hollabrunn seit ca. zwei Jahren einen Digitalen Zwilling im Bereich der Automatisierungstechnik/Robotik in unserem Ausbildungsportfolio. Es handelt sich dabei um eine mit Standard-Industriekomponenten aufgebaute Fertigungsstraße. Via Internet-Datenleitung wollen wir im nun folgenden Schritt diese Anlage mit einer unserer Partnerschulen in Portugal verbinden. So haben die Schüler die Möglichkeit, das Labor remote zu bedienen. Die hohen Investitionskosten kann eine Schule aber nur mit tatkräftiger Unterstützung durch die Industrie und Wirtschaft stemmen.
Viele beklagen, dass sich immer weniger junge Menschen für eine technische Ausbildung interessieren. Woran glauben Sie, liegt das?
Ein Faktor ist sicherlich die sinkende Leistungsbereitschaft vieler – NICHT ALLER – junger Menschen. Schlagwörter wie Work-Life-Balance sind nicht sehr förderlich, denn sie steigern trotz hervorragender Jobaussichten nach Abschluss solch einer Ausbildung die Zahl der Interessenten nicht. Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass die Schulen (leider) im Wettstreit mit der Industrie und Wirtschaft stehen, die Schulen über äußerst geringe finanzielle Mittel verfügen und daher nur „Zuschauer“ sind.
Wie sieht es in diesem Zusammenhang mit den Schülerzahlen an Ihrer HTL aus? Sinken die auch?
Die Schülerzahlen sind, der demografischen Entwicklung entsprechend, in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Höchststand war im Jahr 2003 mit 1.505 Schülern. Im heurigen Schuljahr haben wir aber aufgrund von neuen Ausbildungsangeboten ein deutliches Plus von ca. 100 Schülern mehr.
Was ist Ihr Rezept, um junge Menschen für die Technik zu interessieren?
Man muss schon sehr früh das Interesse der jungen Menschen fördern. Wir veranstalten an der HTL Hollabrunn seit vielen Jahren in der letzten Ferienwoche für Jugendliche der 6. und 7. Schulstufe eine sumer@htl. Seit zwei Jahren gibt es bei uns auch für Kinder der 3. und 4. Schulstufe in den Herbstferien eine kinder@htl. Seit 2019 betreiben wir an unserer Schule einen Makerspace. Dieser ist 24/7 geöffnet und wird nach einer entsprechenden Einschulung auch von Menschen außerhalb der Schule genutzt. Generell muss die Bestrebung sein, mehr junge Frauen von der Technik zu begeistern.
Herr Pfeffer, mit Ihrem Unternehmen Microtronics ermöglichen Sie es Firmen, mit Internet of Things (IoT) Geld zu verdienen. Wie machen Sie das?
IoT ist an sich ein sehr komplexes Themenfeld, vor allem, wenn man Lösungen wirklich industriell, also technologisch einwandfrei, umsetzen möchte. Hat man diesen Schritt geschafft, so stellt sich natürlich die Frage, wie man damit Geld verdienen kann. Also investierst du noch oder verdienst du schon? Sehr häufig geht es in den ersten Überlegungen um Einsparungen und Optimierungen – also ganz klar auf der Kosten- und Einsparungsseite. Das ist gut und wichtig. Richtig Spaß zu machen beginnt es dann, wenn tatsächlich neue Geschäftsmodelle entstehen und man neue Ertragsströme realisieren kann. Ich nenne das gerne die „Königsdisziplin“, denn dahinter müssen dann auch die Organisation und die Prozesse funktionieren.
Wir stellen die IoT-Grundinfrastruktur zur Verfügung und unsere Partner können sich darauf verlassen, dass diese nicht nur sicher und stabil funktioniert, sondern auch für die eigenen Anwendungen kalkulierbar ist. Sohin werden unsere IoT-Komponenten bestehend aus Hard- und Software sowie Services für den Betrieb zusammen mit dem Know-how und der technischen Expertise des Partners beim Endkunden installiert und betrieben. Der Mehrwert liegt dann nicht nur in der kommerziell erfolgreichen Realisierung, sondern auch häufig darin, neue Bereiche und Märke zu erschließen, die so vorher nicht adressierbar waren.
Nach Industrie 4.0 ist das neue Schlagwort „Intelligente Produktion“ bzw. Industrie 5.0. Was bedeutet das für Sie?
Die Geschwindigkeit, mit der wir uns mit neuen Schlagworten auseinandersetzen müssen, ist schon erstaunlich. Für unseren Standort Österreich, aber auch generell in Europa, sind die Technologiesprünge eine große Chance – vorausgesetzt, wir sind in der Lage, diese richtig einzusetzen. Aber gehen wir einmal davon aus, dann werden uns Automatisierung, Cobots und AI helfen, wieder mehr Wertschöpfung nach Europa zu bringen. Dies wurde bestimmt auch wesentlich durch die letzte Pandemie aufgezeigt, die uns vorgeführt hat, wie dünn der globale „Supply-Chain-Faden“ eigentlich ist. Glokalisierung – think global, act local – wird zu einer ernst zu nehmenden Diskussion. Intelligente Produktion bedeutet konkret für uns nicht nur die Fertigung/Produktion per se, sondern, dass Produkte ab dem ersten „Hello World“ ihren Lebenszyklus beginnen und von der Wiege bis zu Bahre (cradle to cradle) im Besten Fall wieder zurück zum Hersteller kommen, um auch wieder entsprechend recycelt werden zu können. Entsprechende Intelligenz ist daher auch beim Design von Produkten gefragt, da auch die Verfügbarkeit von Rohstoffen endlos ist und man bestrebt sein wird, auch im Sinne der Nachhaltigkeit und des CO2-Footprints die Wege so kurz wie möglich zu halten.
Leistet IoT also auch einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz bzw. zu mehr Nachhaltigkeit?
Definitiv ja, es gibt eine Vielzahl von Anwendungen, mit denen heute schon ein Beitrag geleistet wird. Absolut spannend wird sich auch die zunehmende nutzenbasierte Verwendung von Produkten auswirken – das Auto, die Maschine, das Gerät, etc… im Abo. Hier gibt es einen eindeutigen Konnex, da Produkte, die auch in kleineren Stückzahlen „as a service“ verwendet werden, auch den Anspruch haben werden, wesentlich langlebiger zu sein. Das heißt, das Produkt soll wieder eine höhere Qualität haben, reparierbar sein, um so länger im Prozess gehalten werden zu können. Also eine Win-Win-Situation. IoT ist natürlich nicht die einzige Lösung für eine nachhaltige Zukunft. Doch mit dem Einsatz der richtigen Technologien können auch wir und unsere Kunden einen substanziellen Beitrag zur Erreichung der Global Sustainability Goals leisten.
Ist IoT eine mögliche Lösung für den Fachkräftemangel?
IoT ist ein Werkzeug und kann zielgerichtet eingesetzt werden, wird aber zunächst keine Fachkraft ersetzen können. Intelligente Systeme werden es allerdings ermöglichen, Jobs zu erledigen, die heute noch von Menschen erledigt werden. Mit IoT ist man in der Lage, aufgrund von Daten und Informationen besser planen zu können und auch die Einsätze zu optimieren. Es beginnt oft schon bei kleinen Routinetätigkeiten, die jedoch in Summe hohe Zeitaufwände verursachen. Durch die demografische Entwicklung wird es hier bestimmt auch eine Beschleunigung der Technologisierung geben müssen.
Was war Ihre Motivation, sich im Mechatronik-Cluster zu engagieren?
Wir sind schon lange Mitglied im Mechatronik-Cluster und sehen auch die Notwendigkeit der Vernetzung der Stakeholder und Unternehmen, um bestimmte Themen gemeinsam vorantreiben zu können. Gerade die Digitalisierung ist hier sicher für eine Vielzahl von Unternehmen nach wie vor eines der großen Themen. Hier bringen wir im Cluster gerne unser Know-how ein, wollen aber auch mit den unterschiedlichen Partnern und Mitgliedern am Puls der Zeit sein.
Welche Themen sind Ihnen wichtig und werden Sie im MC vorantreiben?
Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Ich bin der Meinung, dass Technologie und Digitalisierung ein wesentlicher Baustein sind, um die Herausforderungen der Zukunft besser meistern zu können. Digitalisierung nicht als Selbstzweck zu betreiben, sondern im Unternehmen als Werkzeug zu verwenden, um damit einen wesentlichen Hebel für neue Geschäftsmodelle, die nicht zu Lasten der Umwelt gehen, verfügbar zu haben.
Wie kann Ihr Unternehmen vom MC profitieren?
Als KMU profitieren wir vom bereits bestehenden Netzwerk, von gesetzten Initiativen und vom Zugang zu wertvollen Informationen aus der Branche.