21.03.2024
Seit Jänner ist LCM-CSO Johann Hoffelner neuer Beirat im Mechatronik-Cluster. Er löste den langjährigen Beirat Gerald Schatz ab. Im Interview outet sich Hoffelner als Mechatroniker der ersten Stunde und gibt tiefe Einblicke in Gegenwart und Zukunft der Mechatronik. Ein Gespräch über die Mechatronik als Antwort auf alles.
Das LCM unterstützt schon seit vielen Jahren den Mechatronik-Cluster mit seiner Expertise. Einerseits als Partnerbetrieb, andererseits mit dem bisherigen Beirat Gerald Schatz, den Sie nun in dieser Funktion ablösen. Was motiviert Sie, die Funktion des MC-Beirats zu übernehmen?
Ich bin ein Mechatroniker der ersten Stunde und war im zweiten Jahrgang des Studienversuchs Mechatronik an der JKU als Student dabei. Seit dieser Zeit schlägt mein Herz für die Mechatronik. Mit sehr viel Aufwand und Fleiß haben wir dieses Thema hier in Linz, Oberösterreich aber auch weit darüber hinaus in nun mehr als 30 Jahren verankert und stark etabliert. Unsere Industrie braucht diese Technologien, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. Als Beirat möchte ich dazu weiterhin einen Betrag leisten.
Warum glauben Sie, dass ein Engagement im MC wichtig ist?
Netzwerke sind das um und auf. Die Herausforderungen sind zu groß, um sie allein stemmen zu können. Wir müssen daher näher zusammenrücken und gemeinsam an Lösungen arbeiten. Der Cluster bietet hier die idealen Voraussetzungen für Vernetzung, Kooperation und Informationsaustausch. Nur mit gemeinsamem Engagement können wir den Industrie- und Forschungsstandort Österreich stärken und uns auch international positionieren.
Welche Themen sind Ihnen wichtig und werden Sie im MC vorantreiben?
Mir geht es darum, mit unseren mechatronischen Technologien und unserem über Jahre aufgebauten Know-how in der Industrie Impact zu erzeugen. Alle Methoden, Lösungen und Forschungsergebnisse müssen auf ein für die Industrie nutzbares, anwendbares und einsetzbares Niveau gebracht werden. Die Firmen haben keine Zeit und Ressourcen, um halbfertige Ansätze in nutzbare Lösungen umzusetzen. Genau an dieser Schnittstelle kann LCM unterstützen. Das möchte ich auch im MC weiter vorantreiben und mithilfe der erfahrenen Mitarbeiter des LCM Forschungsergebnisse in die betriebliche Praxis umsetzen.
Was sind aus Ihrer Sicht die Trends in der Mechatronik?
Die Themen, mit denen sich der Mechatronik-Cluster beschäftigt, sind immer am Puls der Zeit. Als Mechatroniker sehe ich die folgenden Hauptthemen: Elektrifizierung, Kreislaufwirtschaft, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Digitale und virtuelle Produktentwicklung und Ökosysteme, Kombination von physikalischen und KI- bzw. datenbasierten Ansätzen für optimale Maschinen- und Prozesssteuerung bzw. prädiktive Systeme in der Industrie sowie generell servicebasierte Ansätze, um nur einige zu nennen.
Wie sieht die inhaltliche Ausrichtung des LCM aus?
Das LCM richtet sich inhaltlich ständig auf die aktuellen und neuen Bedürfnisse der Industrie aus. Dabei gibt es die langfristige Perspektive, in der anwendungsorientierte Forschung zusammen mit den Betrieben durchgeführt wird. Hier werden die Methoden und Lösungen für die naheliegende Zukunft in den oben angeführten Themengebieten der Mechatronik entwickelt. Im Speziellen gilt es hier die bevorstehende Twin Transition, die Digitalisierung und Grüne Transformation der Industrie, zu stemmen. Kurzfristig geht es darum, die gefundenen Ansätze und Methoden direkt und am besten gleich in den laufenden Betrieb umzusetzen. Wir lernen also ständig dazu, bilden uns weiter und setzen das neu erlernte Wissen zusammen mit unseren Kunden in die Praxis um.
„Digitale Ökosysteme als Gamechanger“ war der Titel der gemeinsamen Beiratssitzung von Automobil-, Kunststoff- und Mechatronik-Cluster. Darum geht es auch in unserer Coverstory. Welcher Aspekt ist Ihnen dabei wichtig bzw. wo geht aus Ihrer Sicht die digitale Reise hin?
Wie oben erwähnt spielen digitale Ökosysteme eine wichtige Rolle in einer serviceorientierten digitalen Zukunft. Viele Geräte und Maschinen werden nicht mehr verkauft, sondern ihre Leistung als Service angeboten. Das System bleibt also im Besitz des Herstellers und wird nicht mehr wie früher verkauft. Der Eigentümer will sicherstellen, dass er die Serviceintervalle und Produktivität der Systeme optimiert. Da die Produkte oft beim Kunden stehen, muss eine digitale Informationskette sichergestellt werden, in der zum Beispiel zu jederzeit die verbleibende Lebensdauer von Maschinenkomponenten oder das nächste notwendige Serviceintervall abgefragt werden kann.
In einem weiteren Szenario werden interne Leistungen, die bisher nur für die eigene Entwicklungsmannschaft angeboten wurden, in Zukunft auch für Kunden als digitaler Service zur Verfügung gestellt. Über ein digitales Ökosystem werden diese Programmteile in einer digitalen Kette von Abläufen integrierbar sein. Die Daten und Methoden müssen nahtlos durchgeschleust, die Abläufe somit zu 100 % automatisiert sein. Somit eröffnen sich Möglichkeiten für neue Businessmodelle.
LCM-intern haben wir beispielsweise den Entwicklungsprozess für elektrische Antriebe zu 100 % automatisiert. Damit ist es möglich, in der gleichen Zeit statt fünf Motoren 100 bis 1.000 Motoren zu dimensionieren und zu optimieren. Ohne eine volldigitalisierte Entwicklungskette wären Designoptimierungen wie bei der Kooperation mit der Firma VOITH zum Thema elektrischer VOITH-Schneider-Propeller-Antrieb für Schiffe undenkbar. Schlussendlich wird hier zusätzlich der vollständige digitale Produktpass automatisiert generiert. In dieser volldigitalen Automatisierung und damit entstehenden digitalen Ökosystemen liegt die Zukunft.
Auf der LCM-Website steht gleich auf der Landingpage in Großbuchstaben: NACHHALTIGERE PRODUKTE VERBESSERN IHRE WETTBEWERBSFÄHIGKEIT. Welchen Beitrag leistet das LCM dazu bzw. wie können Sie unsere Wirtschaft konkret unterstützen?
Der Green Deal der Europäischen Kommission ist eigentlich eine Strategie, die die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie steigern soll. Oftmals gerät das in Vergessenheit, weil nur über Randbedingungen gesprochen wird, die der Industrie das Leben eher schwerer machen. Bei LCM arbeiten wir mit unseren Kunden an den Systemdesigns der Zukunft, die weniger Energie im Betrieb benötigen, einen kleineren CO2-Fußabdruck haben, weniger seltene Erden benötigen, die leiser im Betrieb und damit für die Arbeitnehmer verträglicher im Sinne der Arbeitssicherheit sind, um nur einige zu nennen. Nachhaltigkeit beruht auf vielen Säulen ‒ mechatronische Technologien sind oft der Schlüssel dazu. Bei LCM verstehen wir und als Technologie-Integratoren auf Anwendungsebene. Dabei applizieren erfahrene Mitarbeiter neue Technologien gewinnbringend für unsere Kunden in der betrieblichen Praxis.
Welche Ihrer Entwicklungen wurden in jüngster Zeit in die Praxis bzw. in Produkte oder in den Markt eingeführt?
Erstens in der Schiffsindustrie: LCM ebnet den Weg zur Zero-Emission-Schifffahrt mit der wegweisenden Entwicklung des elektrifizierten Voith-Schneider-Propellers (eVSP). Wir haben einen E-Antrieb mit 2.516 PS für den gezielten Einbau in das Antriebssystem im Schiff entworfen. Das Projekt wurde gemeinsam mit der Voith Group und ELIN-Motoren realisiert. Die Schiffsflotte serviciert Windparks in der Nordsee und spart nun ca. 340.000 l Schiffsdiesel pro Jahr und Schiff. Dirk Jürgens, Entwicklungsleiter bei Voith Turbo Marine, hat gesagt: ‚Wir sehen LCM als eine Schlüsselfirma für unsere Wettbewerbsfähigkeit.‘
Zweitens in der Flugzeugzulieferindustrie: Die TEST-FUCHS GmbH und LCM beschleunigen Testläufe von Hydraulikpumpen in der Luftfahrtindustrie und erhöhen gleichzeitig den Präzisions- und Sicherheitslevel. Gemeinsam haben wir eine hundertprozentige Automation durch maßgeschneidertes Systemdesign erreicht, wie auch TEST-FUCHS-Eigentümer Volker Fuchs bestätigt: ‚Durch die Automatisierung der Abläufe und die minutiöse Protokollierung ist es uns gemeinsam mit LCM gelungen, die Anzahl und Präzision der Tests weiter zu erhöhen.‘
Und ein drittes Beispiel aus der Abfallwirtschaft ist unsere Entwicklung eines Abfall-Roboters im öffentlichen Raum. Autonome mobile Roboter entleeren vollautomatisch Abfallbehälter im öffentlichen Raum. Keine Zukunftsmusik, sondern eine von LCM für Brantner green solutions entwickelte Lösung im Praxistest unter Passanten in einem Musterhauspark. Ich zitiere den geschäftsführenden Gesellschafter der Brantner Digital Solutions, Christoph Pasching: ‚LCM realisierte eine innovative und zugleich zukunftstaugliche Lösung. Diese hilft uns, die Nachhaltigkeit der Kreislaufwirtschaft weiter zu erhöhen.‘
LCM
Die Linz Center of Mechatronics GmbH ist F&E-Partner für Mechatronik. LCM transformiert aktuelle Forschungsergebnisse in maßgeschneiderte, verkaufsfähige Lösungen. Spezialgebiet ist die Integration verschiedener Technologien zu Gesamtlösungen, wobei die neuesten Entwicklungen in Mechatronik und KI eingesetzt werden. Die langjährige Erfahrung bildet die Grundlage für die erfolgreiche Entwicklung intelligenter, vernetzter oder autonomer Systeme.
www.lcm.at